Montag, 16. Juni 2014

Generalprobe

Nur mehr drei Wochen bis Irdning, bald beginnt die Regenerations-/Tapering-Phase um so richtig vor Ausdauer und Kraft in Irdning zu strotzen. Davor aber stand am vergangenen Samstag noch ein Belastungstest für den Körper an - der 100km-Lauf in Wien. Die Strecke nun schon sehr vertraut – es ist die gleiche Runde wie zwei Wochen zuvor beim Sri-Chinmoy 6h-Lauf. Verirren sollte ich mich also nicht :-). Start allerdings um 6h früh ... genau das richtige für mich Morgenmuffel. Um 4h20 läutet der Wecker, ich wälze mich aus dem Bett, frühstücke mehr oder weniger im Halbschlaf, automatisch rein ins Laufgewand und ab in die U-Bahn zum Start. Die Müdigkeit fühlt sich nicht unähnlich jener während eines 24-Stundenlaufs um dieselbe Uhrzeit an – ideale Simulation, nur die Beine sind frischer.

Um 5h30 bin ich beim Startgelände, es wuselt schon. Der 100km-Lauf ist einerseits Bestandteil des österreichischen Ultralauf-Cups, andererseits nutzen ihn auch noch viele zusätzlich als Vorbereitungslauf für Irdning. Entsprechend gut und zahlreich besetzt ist der Lauf, dazu noch viele Staffeln. Bis zum Start bin ich also mit Begrüßen, Tratschen und munter werden beschäftigt. Wobei: so munter brauche ich gar nicht werden, möchte ich den 100er heute doch im 24-Stundenlauf-Anfangstempo bestreiten – also schön gemütlich und laaaaangsam. Die letzten zwei Wochen habe ich viel damit verbracht, ganz gezielt langsamer als sonst zu laufen, um meine Muskulatur an den Ryhthmus und ein anderes Bewegungsmuster zu gewöhnen.

Vor dem Lauf lässt es sich der Kärntner Ultraläufer Dominik nicht nehmen und schnappt sich noch rasch das Moderatoren-Mikro, um in einer kurzen Ansprache das Ultralaufen wieder mal auf den Punkt zu bringen: wir alle laufen gemeinsam für den guten Zweck – heute zugunsten der Schädel-Hirn-Trauma Selbsthilfegruppe. Insgesamt bringt die Veranstaltung übrigens EUR 1.350,- dafür ein. Und wir laufen wirklich gemeinsam: Respekt für und Freude über die Leistung des jeweils anderen, nicht ein Gegeneinander-Laufen sondern gegenseitige Unterstützung stehen im Vordergrund und machen die Leistungen jedes Einzelnen auch überhaupt erst möglich.

Ganz kurz eine kleine Werbeeinschaltung in eigener Benefiz-Aktion: ich suche noch weitere Spender, die meine Laufkilometer in Irdning in Bares für den guten Zweck verwandeln. Näheres unter http://martin24h.awardspace.biz - Danke! Und jetzt weiter im Bericht.

Mit diesen Gedanken fällt auch schon der Startschuss und das Feld setzt sich langsam in Bewegung. Langsam? Nicht wirklich, die fetzen ja alle weg als gäbe es kein morgen ;-) ... ich trotte immer noch etwas verschlafen hinterher (nach 800m bin ich Drittletzter, aber das passt schon so), treffe mein geplantes Tempo von etwa 5:50-6:00min/km ziemlich gut, fast etwas langsamer, aber langsamer ist okay, schneller sollte ich nicht sein. Geplante Zielzeit inklusive Verpflegungs- und sonstiger Pausen: 10h30 für die 100km hatte ich mir vorgenommen.

So geht es die 2.5km-Runde Runde für Runde dahin, die Kilometer purzeln. Es macht richtig Spaß, viele viele bekannte Gesichter an und neben der Strecke – sicherlich 40 bis 50 Freunde & Bekannte sind da und machen mächtig Stimmung. Alle ca. 15 Minuten komme ich an der liebevoll betreuten Labe - auch Futtertrog & Tränke genannt - vorbei. Aber irgendwie will mein Magen trotz Hungers noch nicht so recht und reagiert auf Nahrungsaufnahme von Kohlenhydraten egal ob fest oder flüssig mit Magenzwicken. Nicht so gut, aber es ist ja nur Training.

Nach knapp 3h das erste Low-Light: WC-Stopp ist dringend fällig, Tempo auch entsprechend steigern, damit sich das noch kultiviert und nicht im Gebüsch ausgeht. Der Puls verlässt deutlich die für heute zulässige Zone, aber sollte während der anstehenden Pause wieder sinken. Nur leider sind alle drei WCs belegt, also nächste Runde nächster Versuch. Mit etwas Laktat und außer Atem auf die nächste Runde. Dann klappt es – Erleichterung, wenn auch Durchfall. Wie sich später zeigt, war’s das dann glücklicherweise, aber das Magenzwicken bleibt.

Weiter geht die Reise, der Puls nicht mehr so niedrig wie zuvor, aber das liegt wohl auch an den leicht steigenden Temperaturen. Einige Runden beschäftigt mich dieses Thema, dann beschließe ich: gut, der Puls ist jetzt halt höher, aber das Laufen fühlt sich locker an, der Tempobereich passt auch.

Immer wieder Einzel- und Staffelläufer beim Überrunden oder Überrundet-Werden anzufeuern sorgt für Abwechslung. Nach 57.5km denke ich mir, jö, nur mehr ein Marathon, bald ist es geschafft. Nach 80km: nicht einmal mehr ein Halbmarathon, bald bin ich daheim. Nach 85km wird es leider schlagartig zäh – vor lauter Begeisterung habe ich meinen Energiebedarf unterschätzt und aufs ausreichende Essen vergessen, was sich in einem ordentlichen Energieloch niederschlägt. Nix geht mehr. Naja, stimmt nicht ganz. Gehen geht schon noch. So tanke ich an der Labe ordentlich nach und absolviere die nächsten zwei Runden mehr oder weniger gänzlich gehend. Die Sehnen am rechten Knöchel melden sich leicht – hm, schwere Entscheidung jetzt: wie schlimm sind die Schmerzen, könnte es etwas Nachhaltiges sein? Was könnte das für Irdning bedeuten? Aber so knapp vorm 100er aufhören, auch nicht so prickelnd. Die Beurteilung fällt mir wirklich schwer, also zunächst einmal warten bis die Energie zurückkommt. Das ist dann etwa 20 Minuten nach der Fütterung der Fall und nach 90 Kilometer komme ich somit doch wieder ins Laufen. Nachdem sich der Körper in der Gehphase etwas erholen konnte, probiere ich etwas flotter zu laufen. Das fühlt sich locker an, also die letzten 10 Kilometer noch einen mäßigen Crescendo-Lauf für den Spaßfaktor und als kleiner Trainingsreiz zum Schluss. Funktioniert gut. Die letzten 4 Runden absolviere ich im Schnitt in 6:07min/km, 4:48, 4:43 und die letzte Runde dann in 4:35min/km.

Nach 10:02:42 sind die 100km erledigt. Endlich einen reinen 100er gefinished - bisher schaffte ich 100km nur in 12- oder 24-Stundenläufen, bei einem reinen "Hunderter" war nach maximal 80km Schluss (alles im Blog hier nachzulesen ;-). Über die meiste Zeit heute noch dazu mit einem sehr lockeren Gefühl. Viel Spaß und Abwechslung mit der Ultralauf-Familie gehabt, wieder ein paar neue Ultraläufer kennengelernt. Es gäbe natürlich noch unglaublich viele Details und G’schichterln zu erzählen, aber das muss man einfach selbst erlebt haben, um es zu verstehen. Daher einfach nur kurz: es war ein netter, nein, ein supertoller Samstag ;-)

Die Veranstaltung wie immer von Angelika & Klemens perfekt organisiert, nette Moderation, eine tolle Labe (wenn mein Magen doch nur ein bisschen mehr zugelassen hätte, die Labe wirklich zu genießen, aber nach dem Lauf ging es dann :-D ) und auch die Strecke beginnt mir langsam zu gefallen.

Die Form sollte also passen, mit dem Langsam-Lauf-Tempo hatte ich diesmal auch über die 10 Stunden keine muskulären Probleme und für meine Hirnlosigkeit, den Futterbedarf zu unterschätzen und praktisch aufs Essen zu vergessen (wobei ich sonst verfressen bin wie nur), habe ich in Irdning ja Betreuer mit dabei :-D

Sonntag, 1. Juni 2014

5 Wochen bis Irdning - es geht wieder los

So, schon länger nichts mehr los hier im Blog.

Statt des Kurzvideos, dessen Link im letzten Blog-Eintrag leider nicht mehr funktioniert, gibt es jetzt eine Langfassung - wer Lust auf 1h18 Ultralaufen hat, hier findet sich das Video

https://www.youtube.com/watch?v=6dRDXtAUZn8

Jetzt aber: Was tat sich seit Sárvár? Nun ja, zunächst war Regeneration (=Sportpause) angesagt und dann ging es ab in einen fantastischen dreiwöchigen USA-Urlaub mit Besichtigungen von u.a. Grand Canyon, Antelope Canyon, Arches National Park, Bryce Canyon, Zion National Park, Sequoia National Park. Da waren zwar einige "Laufwanderungen" (d.h. bergab jedenfalls laufen, flach gemütlich im Grundlagentempo oder langsamer, bergauf laufen wo es angenehm ist und ansonsten halt flott wandern) dabei, aber kein wirklich strukturiertes Training - alles auch auf etwa 1.200 bis 2.400 Meter Seehöhe - also fast ein Höhentrainingslager, nur halt ohne richtiges Training. Gerahmt war das Ganze gerade mal von einem richtigen 30km-Lauf (mit einigen Höhenmetern) in einem hügeligen Teil von Los Angeles und einem 31km-Lauf im Hotel-Areal beim Sequoia-National Park auf 2.000 Meter Seehöhe (auch nicht wirklich flach, aber wenigstens Runden zu 2,5 Kilometer - sagte ich schon, dass ich Runden mag :-D).

Alles somit nicht wirklich repräsentativ um herauszufinden, wie der derzeitige Zustand denn so ist und woran bis Irdning noch zu feilen ist. Daher stand heute der 6-Stundenlauf des Sri-Chinmoy-Teams im Wiener Prater (Runde zu 2,5km, aber ohne Höhenmeter) am Programm. Der Jet-Lag-Effekt der Rückkehr seit Donnerstag hat sich noch nicht wirklich verzogen, ich funktioniere derzeit interessanterweise weder nach Pazifik-Zeit noch nach mitteleuropäischer Zeit, sondern nach etwas in Richtung Moskau oder Peking-Zeit :-O. Die letzten drei Nächte vor dem heutigen Lauf waren also alles andere als erholsam. Aber gut, mit dem heutigen Lauf weiß ich dann zumindest, was trotz Müdigkeit und fehlendem Ausdauertraining möglich ist.

Insgeheimer Wunsch waren 70 Kilometer oder mehr - weil da wäre ich dann Nummer 256 in der ewigen österreichischen Bestenliste, in welche man ab 70 Kilometer Aufnahme findet. Und eigentlich ging diese Leistung im Training Richtung Sárvár bereits, warum also nicht auch heute (vielleicht passiert ja ein Wunder)?

3 Stunden und 20 Minuten ging das auch ganz gut so, aber dann war ich ziemlich platt - Wunder passieren doch nicht. Nach bis dahin ~5:00min/km ging (im wahrsten Sinne des Wortes) der Schnitt auf ~6:00min/km (und darüber) für zwei Runden rauf. Immerhin pendelte ich stets zwischem dem zweiten und dritten Gesamtrang, was auch etwas Motivation gab. Aber das wirklich Nette am Rundenlaufen - man ist nicht allein. Und während meiner Gehphasen kam ich dann mit Tino zusammen und wir liefen einige Meter miteinander ... so beim Plaudern wurden die Beine wieder lockerer und ich setzte dann auch ohne Tino das Laufen fort. Danke Tino, dass Du mich wieder ins Laufen gebracht hast! Die 70 Kilometer plus waren leider jedoch dahin, so wechselte ich die Restmotivation halt auf die Platzierung. Der Zweitplatzierte (Didi) - eigentlich leistungsstärker als ich - hatte sich mit einer Wechseltempoeinheit etwas leergelaufen, sodass ich dann trotz Einbruchs Zweiter war - aber immer mit Didi im Nacken. Nach 50 Kilometer stellte sich dann die Frage, ob ich's nicht besser für heute sein lasse. Weil in Hinblick auf Irdning sollte ich mich jedenfalls nicht komplett verausgaben und schon gar keine Überlastung (Sehne o.ä.) riskieren. Da tauchte aber wieder einmal Christian an der Strecke auf und trieb mich weiter - wenn ich so angefeuert werde, dann kann ich ja nicht aufhören. Danke für die Motivation! Also weiter. Irgendwann hatte ich wieder mal eine Gehphase. Da lief Berta auf mich auf und meinte, was denn los sei, ich war doch gerade noch so gut drauf. Also gut, schauen wir, dranhängen. Und so mit den Fersen vor Augen kam ich wieder ins Laufen! Danke! 45 Minuten vor Laufende tauchte dann der Führende (allerdings mit drei Runden Vorsprung = 7,5 Kilometer) bei einer Verpflegungspause vor mir auf ... er hatte sein Distanzziel offenbar bereits erreicht und nützte die restliche Laufzeit nur mehr zum Auslaufen in etwa 4:50min/km. Heute war dieses Tempo leider schon eine Endbeschleunigung für mich. Aber probieren wir's mal, schließlich gab's als Belohnung für das Tempo wieder einen netten Gesprächspartner. Nach einer Runde stoppte Kai leider kurz, aber der Ehrgeiz hatte mich wieder gepackt und so lief ich das Tempo alleine weiter. Schließlich könnte ja auch immerhin Gefahr von hinten drohen und Zweiter würde ich schon gern werden - die Chance hat man mit meinem Leistungsniveau ja nicht häufig.

So ging's in die letzten Runden, knapp 8 Minuten vor Schluss waren dann 67.5 Kilometer absolviert. Mist, das geht sich ums ..... nicht aus mit den 70 Kilometer, aber gut, bei dem Auf und Ab heute immerhin jedenfalls die bisherige Bestleistung (66.9km) verbessert. Letztlich waren es dann nach 6 Stunden 69,282 Kilometer, d.h. mir haben gerade mal 3 Minuten auf die 70 Kilometer gefehlt - ärgerlich, aber Platz zwei und Durchgehalten zu haben stimmen mich doch zufrieden.

Einige nette Ultraläufer (teilweise bisher noch überhaupt unbekannt, teilweise nur virtuell gekannt) endlich persönlich kennengelernt, zahlreiche Anfeuerungen von Freunden entlang der Strecke (ja, am Sonntag läuft und schaut wirklich jeder im Prater vorbei), die Organisation des Laufs durchs Sri Chinmoy Marathon-Team perfekt, die Labe (während und auch nach dem Lauf) ganz toll - es hat wieder Spaß gemacht!

Und mein Zustand dürfte auch nach 5 faulen Wochen nicht unterirdisch sein, sondern eine ganz gute Basis für die nächsten Trainingswochen darstellen.

Ui, das hätte eigentlich nur ein kurzer Blog-Eintrag werden sollen, naja, es hat mir gefallen und Spaß gemacht, da kann man wohl auch mehr Worte dazu verlieren ;-)

Neben dem Pokal gab's auch noch einen netten Geschenkskorb.