Donnerstag, 11. Oktober 2012

24-Stundenlauf-Glas zu 2/3 voll


Bevor der echte Bericht aus Fano beginnt, braucht es einige Informationen, warum und in welchem Zustand ich überhaupt am 24-Stundenlauf in Fano teilnehme.

Nach der Enttäuschung beim 24-Stundenlauf in Irdning stellte ich mir die Frage, was denn nun mit dem restlichen Laufjahr anfangen. Für einen richtig guten Marathon im Herbst wäre wohl die Trainingszeit etwas zu kurz, ein schneller 100km-Lauf vielleicht? Naja, auch dafür fehlte mir eigentlich der Grundspeed. So fiel die Entscheidung, es doch noch einmal mit einem 24-Stundenlauf zu probieren. Einerseits, weil dafür ein neuerlicher Formaufbau wohl am besten möglich wäre und auch, um herauszufinden, ob ich's wirklich mit den 24-Stunden sein lasse, weil's mir gar nicht liegt oder Irdning einfach ein rabenschwarzer Tag war.

Also auf ging's den Wettkampfkalender an 24-Stundenläufen so Ende September/Anfang Oktober in der Umgebung von Österreich zu studieren. Früher hätte es wenig Sinn, weil Irdning doch etwas Regeneration brauchte und später wird's in Mitteleuropa dann vom Wetter her eher unlustig, vor allem was die Nachttemperaturen betrifft - ich habe es zwar gerne kühl, aber zu extrem muss es dann auch wieder nicht sein. Dann sollte der Lauf noch von Wien aus in maximal 1000km Entfernung liegen, damit die Anreise mit dem Wohnmobil innerhalb von zwei Tagen machbar ist - weil per Flugzeug schaffe ich es nicht, meine ganze Ausrüstung mitzuschleppen. Ich packe ja fast immer die ganze Wohnung ein für einen 24-Stundenlauf ;). Als letztes wäre eine günstige Verbindung mit Flug/Zug für Carola noch ideal, weil sie wohl nicht vier Urlaubstage für den Ausflug haben würde. Man sieht schon, all die Kriterien schränkten die Auswahl dann doch ziemlich ein. Letztlich blieb genau ein Lauf über, der allen Kriterien entsprach. Und so wollte ich eigentlich am vorletzten Septemberwochenende beim 24-Stundenlauf in Brugg (Schweiz) starten. Eine etablierte Veranstaltung, die letztes Jahr auch die 24-Stundenlauf-WM austragen hätte sollen, welche dann aber aus finanziellen Gründen abgesagt werden musste. Der Lauf sollte also nicht so schlecht sein.

Die neuerliche Teilnahme an einem 24-Stundenlauf behielt ich für mich, da ich - im nachhinein gesehen - wohl in Irdning an meiner eigenen - durch zahlreiches Feedback im Vorfeld der Spendenaktion weiter gesteigerten - zu hohen Erwartungshaltung gescheitert bin. Brugg sollte jetzt ohne wirkliches Ziel ein Lauf einfach nach Gefühl und mit viel Spaß werden, aber nicht nach irgendwelchen Zeit/Rundenvorgaben ablaufen. So waren in meinen Plan nur ganz wenige eingeweiht.

Mit dieser Perspektive ging das Training wieder los und die Wochenenden waren gefüllt mit langen kombinierten Einheiten aus Radfahren und Laufen. Ab und an auch ein netter Ausflug wie beispielsweise zum "Kärnten läuft"-Halbmarathon, wo ich mir den Bus/Bahntransfer sparte und gleich von Klagenfurt nach Velden lief und dann im Rahmen des offiziellen Halbmarathons wieder zurück. Dabei konnte ich auch erstmals das Panorama bewundern, welches man nämlich vor allem entgegen der normalen Laufrichtung sieht. Eine Woche darauf dann samstags länger Radfahren und ein wenig Laufen, sonntags wieder ein "Marathon", diesmal mit dem "Lauf rund um den Lainzer Tiergarten" (RudLT) in der zweiten Hälfte eingebaut. Mit der Startnummer ausgerüstet waren es dann im Wettkampf statt der anvisierten 2h15 etwas über 2h06, wobei ich den Lauf aber scheinbar gut verkraftet hatte. Nochmals eine Woche später die letzte intensive Wochenend-Doppelbelastung mit sonntags einem lockeren 48 km-Lauf in knapp unter 4 Stunden. Die Form baute sich so richtig schön auf. Allerdings in der Woche darauf dann die Ernüchterung: der Achillessehnenansatz am rechten Fuß innen hatte sich entzündet. Das gleiche Problem, dass mich am linken Fuß schon im Frühjahr einige Wochen außer Gefecht gesetzt hatte. Selbst Gehen schmerzte. Na super, das zwei Wochen vor dem geplanten 24-Stundenlauf. Also alle Hebel in Bewegung gesetzt, zusätzlich zur regelmäßigen Massage auch noch Osteopathie um die Wadenmuskulatur locker zu bekommen sowie Infiltrationen gegen die Entzündung. Alles zusammen wirkte zwar, aber auch keine Wunder, die Schmerzen wurden weniger, aber waren spürbar vorhanden. Der letzte etwas längere Lauf vor Brugg im Rahmen des Wachau-Halbmarathons wurde gestrichen, ich war aufs Rad verbannt, um eine Chance zu haben, halbwegs schmerzfrei in Brugg am Start stehen zu können. Aber eigentlich war klar: so angeschlagen einen 24-Stundenlauf zu beginnen, bringt nix. Die Wahrscheinlichkeit nach 4 bis 6 Stunden mit Schmerzen und längerfristigen Schäden aussteigen zu müssen war ziemlich hoch. Und dafür den ganzen Aufwand treiben (vier Urlaubstage, weite Fahrt, für Carola zweimal eine 15stündige Zugfahrt über Nacht)? Nein, bei aller Motivation und Begeisterung, das funktioniert so nicht. Also musste eine Alternative her.

Wieder den Laufkalender studieren, Kriterien anwenden. Ein 24-Stundenlauf in Grenoble (Frankreich) war mir bei der Planung für Brugg untergekommen. Der ist allerdings noch weiter weg als Brugg und auch die Anreise für Carola ziemlich abenteuerlich. Aber dafür enthielt die Datenbank auf einmal einen weiteren Lauf am Wochenende 6./7.10.: das Lauffestival in Fano mit 6/12/24-Stundenlauf. Na, das klang ja nicht so schlecht. Zwar wie auch nach Brugg 800km Fahrt, aber dafür landet man wenigstens in der Nähe von San Marino direkt am Meer, d.h. es sollte eigentlich auch angenehm warm werden. Die Laufstrecke sah zwar nicht ganz einfach aber machbar aus und auch die Informationen auf der Homepage waren zwar etwas chaotisch aber doch in Summe recht ausführlich und klangen nach einer vertrauenserweckenden Veranstaltung. 

Also gut, statt Brugg wird's also Fano. Jetzt musste nur noch Carola irgendwie dorthin kommen. Dabei galt es auch zu beachten, dass Carola am 8.10. verlässlich in Wien sein musste, da es dann auf Dienstreise nach Prishtina ging. Zugverbindungen gab es, allerdings mit mehrfachem Umsteigen, eher kurzen Umsteigezeiten und wenn Pausen, dann mitten in der Nacht - also Zug = Tortur vor und nach der 24-Stundenbetreuung, die ja auch nicht ohne ist. Weil auch das muss hier gesagt werden: 24-Stundenbetreuung ist sehr hart und steht dem aktiven Laufen nur um wenig nach! Also schauen, was es so an Flügen gibt. Und da gab's sogar ein recht günstiges Angebot. Noch eine Nacht drüber schlafen, Urlaub für mich klären, und dann war die Entscheidung gefallen und wir wollten den Flug für Carola Freitag abend von Wien nach Bologna und dann weiter mit dem Zug nach Fano buchen. Tja, plötzlich kostete der Flug etwa das 3fache - das Angebot war leider nur bis zum Vortag gültig gewesen :(. Nicht gut. So musste das Meilenkontingent von Carola herhalten, allerdings waren hier nur mehr Plätze in der Business Class vorhanden. Auch gut, für eine 24-Stundenlaufbetreuerin kann ein wenig Luxus nicht schaden :D. So war dann die Reise organisiert.

Jetzt musste ich mich nur noch bestmöglich auf den Lauf vorbereiten, was auch den Ablauf und das Reglement des Laufs selbst betraf. Weil verständigen würde ich mich in Fano ohne italienisch wohl nur schwer können, d.h. je mehr mir klar wäre, wie der Lauf abläuft umso eher würde ich verstehen können, was mir auf italienisch versucht wird zu erklären. So durfte Google-Translate an die Fano-Homepage ran und lieferte teilweise sehr interessante Übersetzungsvarianten: eine Bejahung auf Deutsch, eine Negation auf Englisch, usw. Aber das meiste konnte man sich zusammenreimen. Und für die kniffligen und entscheidenden Passagen kontaktierte Carola Matteo, einen bei der UNO in Wien beschäftigten Italiener und ebenfalls Läufer, der meine Übersetzungsversuche kontrollierte und korrigierte - allerdings ohne wirklich zu wissen, mit welchem Kontext er es da zu tun hatte ;). Auch dem Veranstalter schickte ich noch ein paar Fragen auf englisch - und bekam innerhalb weniger Stunden zwar sehr kurze, aber prägnante Antworten zurück. Auch keine Selbstverständlichkeit und auch das stimmte mich positiv, mir hier einen netten Lauf ausgesucht zu haben.

Das Training lief praktisch nur am Ergometer und Fahrrad ab, Laufen nur in geringen Dosen (=3km) zum vorsichtigen Probieren, wieweit sich die Sehnenentzündung schon gebessert hatte. Knapp 10 Tage vor Fano waren die Schmerzen dann unter normaler Belastung weg und ich begann wieder vorsichtig, meinen Laufumfang zu erhöhen: 7 km, 12 km und dann ein 25 km-Testlauf. Alles nicht 100% locker, aber im langsamen Ultralauftempo sollte zumindest eine Chance auf Durchhalten bestehen.

So ging die Reise ins Ungewisse also am Donnerstag, 4.10., mit einem vollgepackten Wohnmobil für mich los. Ich fuhr bis Molinella in der Nähe von Bologna und stimmte mich aufs Ultralaufen ein: zum Lockern der Beine drehte ich ein paar langsame Laufrunden rund um meinen Parkplatz - also etwa eine 400 bis 500 Meter-Runde und diese 8 Mal. Die Behandlungen im Vorfeld hatten gewirkt, es war der erste richtig schmerzfreie Lauf - ein gutes Zeichen!

vvvvv --- Beginn des eigentlichen Berichts aus Fano --- vvvvv


Am Freitag in der Früh ging es die restlichen zwei Fahrstunden weiter nach Fano, wo dringend Tanken angesagt war. Das war gar nicht so leicht. Die erste Tankstellte akzeptierte meine Kreditkarte nicht, die zweite hatte gerade keinen Diesel mehr im Tank, bei der dritten Tankstelle hatte ich dann Glück. So sah ich ein wenig von Fano, hauptsächlich die Stadtmauer. Aber wirklich neugierig war ich schon auf die Laufstrecke. So landete ich also um 11h30 am Parkplatz in Fano. Die Laufstrecke selbst ist eigentlich die Radtrainingsstrecke "Circuito Ciclistico E. Marconi" mit einer Länge von 2266.5 Metern. Kaum angekommen ging ich auch schon laufend auf die Piste und drehte 3.5 Runden. 


Laufstrecke
Der Kurs zeigte sich auf den ersten 900m eher selektiv, mit einem Gefälle nach Start/Ziel, wenig später einer entsprechenden Steigung, dann wieder einem leichten Gefälle um nochmals langgezogen die Höhenmeter auf das Niveau von Start/Ziel zurück zu erreichen. Am Ende dieser langgezogenen Steigung würde morgen dann auch die Hauptlabe stehen. Die restlichen 1.3 km des Kurses waren dann flach. Aufgrund der Kurven, welche fast an eine Formel-1-Strecke erinnerten, hatte man auch andere Streckenteile gut im Blick, d.h. die Läufer würden sich morgen immer wieder begegnen und man würde auch etwas vom restlichen Läuferfeld mitbekommen. Das alles komplett abgesperrt, eingebettet in Wiesen und mit zahlreichen weiteren Sportanlagen: Leichtathletik-Stadion, Baseballanlage, Tennishalle, Bogenschützenstände (ich hoffe, die wissen was sie tun). Alles sehr einladend, nur leider direkt an der Strecke mit Fahrzeugen campieren durfte man nicht, sondern ein Zelt war das Maximum, das man aufstellen durfte. Carola würde also immer wieder zwischen Zelt und Wohnmobil wechseln müssen, um Nachschub von Gewand oder Nahrung herbeizukarren.

Für alle Läufer ohne Zelt hatte der Veranstalter eine Zeltstadt mit Militärzelten errichtet, die als Schlafplatz dienten - dieses Angebot wurde auch von den meisten Läufern genutzt. Die aufbauende Mannschaft hatte ihren Spaß: Italiener wie im Bilderbuch: wild gestikulierend, rufend, lachend ... und einer arbeitete wirklich was ;). Aber dann mussten sie sich mal für die Mittagspasta zurückziehen.

Ich machte mir währenddessen ebenfalls meine Pasta, denn es würde zwar eine offizielle "Pasta-Party" geben, aber wann die wirklich beginnen würde war unklar. Also besser mal selbst vorsorgen, in Italien isst man ja meist spätabends erst. Nachdem die Mannschaft den Aufbau wieder fortsetzte, schaute auch ich rüber ins "Festgelände" und versuchte Infos zu bekommen, wann denn die Startnummernausgabe und die Pasta Party beginnen würde. Nachdem doch einige ausländische Starter teilnehmen würden, hatte der Veranstalter extra einen Jugendlichen aufgetrieben, der des Englischen mächtig war und mir als Dolmetsch zur Verfügung stand. So erfuhr ich, dass die Startnummernausgabe um 16h beginnen würde, die Pasta Party dann so um 17h oder 18h. Ah super, passt. Also wieder ins Wohnmobil und Beine hochlagern, warten und in die Luft schauen. Mittlerweile war ich doch etwas nervös, selbst die Konzentration fürs Lesen fehlte mir. Aber gut, einfach nur da liegen und nix tun schadet auch nicht, ich werde meine Energie morgen noch brauchen.

Brav preußisch wollte ich dann um 16h meine Startnummer abholen, nein, doch erst um 17h und Pasta Party dann um 18h oder 19h. Ah ja. Aber es wunderte mich nicht, war mir doch das Chaos von Seregno noch gut im Gedächtnis. Und ich verlor ja nix, hatte eh nix zu tun.

Etwas genervter waren da ein paar Amerikaner, die in Neapel wohnen und auch an den 24-Stunden teilnehmen würden. Die kamen nämlich pünktlich um 16h zur Startnummernausgabe und hatten dann auch zu warten - und kein gemütliches Wohnmobil zum Hinlegen. Aber so hatte ich dann immerhin auch Unterhaltung und konnte mich mit jemandem verständigen.

Um knapp nach 18h war es dann wirklich so weit: die Startnummernausgabe begann. Den ganzen Nachmittag über wurde übrigens fleißig Schinken geschnitten, ich fragte mich, wofür. Das erfuhr ich dann bei der Pasta Party, die um etwa 20h startete. Das war nämlich nicht einfach Pasta Party, sondern ein volles Menü mit einem Schinkenweckerl, Pasta und einer Crostata (so Art Kuchen mit Marmelade). Dazu gab's dann noch eine Käsescheibe für das Schinkenweckerl. Trotz der den ganzen Nachmittag laufenden Vorbereitungen für die Pasta Party hatten sie nämlich vergessen, den Käse gleich ins Weckerl reinzugeben. Naja, macht nix. Irgendwie hatte das Ganze einen sehr netten, familiären Charme. Weckerl und Crostata hob ich mir allerdings für nach dem Lauf auf, da mir das um die Zeit jetzt etwas zu gefährlich für den Magen schien. Die Pasta Pomodoro war allerdings fantastisch gut.

Jetzt war es auch schon fast Zeit, Carola vom Bahnhof abzuholen. In Bologna war sie ja mittlerweile pünktlich gelandet, auch den Bus zum Hauptbahnhof hatte sie gefunden und auch der Zug Richtung Fano klappte.

Pünktlich um 22h40 (auf die Minute!) erreichte der Zug Fano und wir machten uns auf die ca. 2.5km vom Bahnhof zur Laufstrecke. Zunächst ausgesprochen idyllisch entlang der Bahntrasse, wo Carola immerhin einen Blick auf die Stadtmauer erhaschte. Ansonsten noch kurz durchs Hafenviertel, wo in einem Lokal Party inklusive Modenschau stattfand und ein bisschen Nachtleben herrschte. Aber nix für uns heute (sonst sind wir ja die vollen Partytiger :D). An der Laufstrecke angekommen, war es schon sehr ruhig. Alle Lichter dunkel, alle Läufer in den Schlafzelten, manch sonores Sägen war schon zu hören. So zeigte ich Carola noch leise die wichtigste Infrastruktur. Labe bei km1, Labe bei km1.8 (aufgrund der Kurve praktisch nebeneinander), Platz für unser Zelt, Start/Ziel. Dann ging es aber schnell ins Bett, es würde ja morgen ein langer Tag werden.

Aufwärmen
Am Samstag war dann um 7h Tagwache, damit sich in den drei Stunden bis zum Start noch alles ausging: Frühstücken, Zelt aufbauen, Laufgewand und Verpflegung herrichten. Aber um 9h30 war alles erledigt. Jetzt noch umziehen und ein paar Laufschritte herumtrippeln. Knapp vor dem Start aber nochmals Hektik - mein Chip war angeblich nicht korrekt montiert. Das verwendete System war ähnlich dem beim 12-Stundenlauf in München: ein Papierstreifen mit integriertem Transponder, welcher dann durch die Schuhbänder gezogen und zu einer Rolle zusammengeklebt wurde. 

So sieht das aus: Quelle: http://www.dreamrunners.it/images/banners/chip.gif

Aus meiner Sicht nicht ganz ideal, falls ein Schuhwechsel nötig werden würde. Also montierte ich die Rolle an einem Chipband für den Knöchel. Der Veranstalter war allerdings der Meinung, dass so die Zeitnehmung nicht ausgelöst werden würde und ich musste noch rasch den Chip doch durch die Schuhbänder fädeln. Na gut, dann halt so. Wird schon gehen. Anmerkung: die Zeitnehmungsmatten quittierten die Messung jeweils mit einem Pieps. Der Pieps erfolgte bei langsamen Tempo bereits ca. 20 bis 40cm vor der Matte - ich kann mir also nicht vorstellen, dass das mit dem Chipband nicht funktioniert hätte, aber bitte. Zum Diskutieren fehlten mir die Zeit sowie die Sprachkenntnisse.

Start ...
So machte sich das Feld dann auf zum Start: dieser erfolgte 274 Meter vor der Start/Ziellinie, damit man eine exakte 100km-Zeit nach 44 vollständig absolvierten Runden hat (für alle Mathematiker: 44*2.2665 + 0.274). Während ich noch am Ende des Feldes herumtänzelte, in zwei Minuten ist dann der wirkliche Start, ging's plötzlich bereits um 9h58 los. Mist, schon wertvolle Meter verloren, werde ich diese aufholen können :D?

... die Meute läuft ...

Jetzt begann der schwierigste Teil: ich hatte ja keinen Plan, wollte einfach nur nach Gefühl laufen. Nicht einfach für jemanden, der selbst bei regenerativen Läufen jede Kilometerzwischenzeit genau misst ;). So war ich die ersten zwei Stunden damit beschäftigt, einen Gefühlsrhythmus zu finden. Aber es pendelte sich dann gut ein. Im selektiven Anfangsteil bergauf/bergab gehen, dann bei der Labe noch etwas Gehen und im hinteren Streckenteil durchgehend bis zu meinem Zelt mit Carola laufen, dort dann wieder etwas Gehen.
... noch mittendrin ...

Die Stimmung war leider nicht besonders, es gab zwar eine Musikanlage bei Start und Ziel, aber offenbar hatten sie die CDs vergessen. So war ein Platzsprecher die einzige Unterhaltung. Der war zwar sehr nett, aber ohne Italienischkenntnisse jetzt auch nicht soooo prickelnd. Auch sonst sind kaum Zuseher an der Strecke, die meisten Läufer sind alleine gekommen und so gibt's außer Carola praktisch keine Betreuer an der Strecke.

Aber ich bin ohnehin mit mir und dem Rhythmus beschäftigt, es läuft gut voran. Aufgrund der fast vollständig in der Sonne liegenden Strecke ist es zwar etwas warm, aber mit Kühlung bei den Laben sowie bei meinem Zelt komme ich damit gut zurecht. So heiß wie in Irdning ist es bei weitem nicht, es herrschen angenehme etwa gefühlte 25 bis 27 Grad.

Es rollt dahin, Runde für Runde absolviere ich, Unterhaltung auf der Strecke gibt's wenig, ab und zu mit meinen amerikanischen Freunden sowie Toni aus Slowenien. Die anderen sind des Englischen leider nicht mächtig. Aber gut, ich spare mir meine Energie eh lieber fürs Laufen als fürs Reden. Nett war der eine Italiener, der zwar kein einziges Wort Englisch konnte, mir aber auf italienisch sehr tief bestürzt klar machte, dass das doch gar nicht sein könnte, dass ich nicht doch einige Brocken italienisch könnte - weil jeder auf der Welt kann doch etwas italienisch, ich muss nur wollen und mich fest konzentrieren :D.

Ein Vorurteil bestätigte sich auch beim Lauf: Italiener reden gerne und viel. Praktisch auf jeder Runde kam ich an einem Mitläufer vorbei, der gerade mit dem Handy am Ohr unterwegs war und in dieses heftig reinredete. So hatte ich also meine Abwechslung auf jeder Runde, bis ich wieder bei Carola vorbeikam.

Carola sorgte dafür, dass meine Labe wie durch Zauberhand immer super bestückt und alles vorhanden war, was ich brauchte. Und wenn ich noch was zusätzlich wollte, dann war das in der nächste Runde auch sofort da. Dazu gab's noch Infos von allen, die via SMS mitfieberten, aufmunternde Worte und ein wenig dies und das. Eine ganz tolle Betreuerin hatte ich da, die einen tollen Job machte, der auch alles andere als einfach ist. Denn einerseits war Carola ans Zelt gefesselt, damit sie meist da ist, wenn ich vorbeikomme, gleichzeitig ist das halt auch nur begrenzt spannend ;), da sich jetzt beim Rennen auch nicht so viel tat.

Insgesamt waren es eher wenig Teilnehmer und auch das Leistungsniveau war nicht sehr hoch. So begannen viele schon nach zwei bis drei Stunden nur mehr zu gehen. Nach dem 6-Stundenlauf dezimierte sich das Feld überhaupt recht deutlich, war doch ein Drittel aller Teilnehmer im 6-Stundenlauf gestartet. Die 6-Stundenläufer wurden dafür wie Helden gefeiert. Im Gegensatz zu den 12-Stundenläufern, die um 22h mitten in der Nacht ihr Rennen beendeten und die Siegerehrung dann am nächsten Tag um 10h hatten. Massage, frisch bestückte Labe, Gratulation oder ähnliches gab's für die Armen überhaupt nicht.  

Mittlerweile bin ich so richtig im Rhythmus drinnen, weiß zwar, dass ich von der durchschnittlichen Rundenzeit wohl deutlich vor einer Leistung von 220km auf 24h liege, aber ich könnte mein Tempo nur unnatürlich drosseln, indem ich den Gehanteil massiv erhöhe, damit aber den Laufrhythmus verliere. Und langsamer Laufen fühlte sich auch nicht gut an. Und ich soll ja nach Gefühl laufen. Interessehalber stoppe ich nach 6h30 mal wirklich einen vollen Laufkilometer mit - mein Tempo liegt bei 5:00min/km! Und fühlt sich aber sehr angenehm langsam an. Wow, die zähen Wochenend-Doppelblocks haben sich wirklich ausgezahlt, ich dürfte eine ganz gute Ausdauer erarbeitet haben.

Das hohe Tempo ist auch insofern kein Problem, als sicherlich noch einige Zeitfresser kommen werden, wie Klo-Pausen, Gewandwechsel und die eine oder andere Krise.

Und um etwa 18h (also nach 8h) und 75 zurückgelegten Kilometern war es dann auch so weit. Der Magen rebellierte, Durchfall war angesagt. High-Tech-Iso ging nicht mehr, ich musste das Low-Tech-Programm aktivieren: Soletti, dunkle Schokolade und Cola. Mit den nötigen Stopps erfolgte dann auch eine Temporeduktion, aber kein Problem, ich bin immer noch gut unterwegs, habe Spaß und der Magen beruhigte sich auch wieder.

Um 22h30 (=nach 12h30) war ich mittlerweile bei 107km angekommen und hielt es für eine gute Idee, wieder ein Iso-Getränk zu mir zu nehmen. Leider war der Magen gar nicht einverstanden und forderte vehement sein Recht auf Pause. Na gut, dann nicht. Dabei passierte mir dann mein klassischer Fehler: der Kreislauf geht bei der Pause runter, die Muskelwärme geht verloren und mittlerweile war es doch schon lange dunkel und die Temperaturen gesunken. Mir war also auf dem Rest der Runde zurück zu Carola ziemlich kalt - was heißt ziemlich? Saukalt war mir. Ich zitterte und wollte schon eine Mitläuferin um ihre Jacke anschnorren. Irgendwie kam ich dann aber doch zum Zelt zurück und packte mich warm ein - vor lauter Zittern natürlich zu warm, sodass in der nächsten Runde der nächste Gewandwechsel anstand. Carola bereitete sich langsam auch auf ihre Schlafpause vor, welche sie auf der Liege im Zelt mit ein paar Decken verbringen wollte, damit sie im Notfall gleich für mich da sein konnte. Auch alles andere als ein erholsamer Schlaf.

einsamer Läufer in der Nacht
Auch sonst wurde jetzt überall auf Nachtbetrieb umgestellt. Viele 24-Stundenläufer gingen schlafen, auch die Labe wurde direkt zu Start & Ziel transferiert, weil angeblich die Beleuchtung ausgefallen ist, aber das wäre mir nicht aufgefallen. Interessanterweise blieb die Labe dann auch bis zum Ende dort als es auch schon längst wieder hell war. Auch die zweite Labe wurde aufgegeben. Der Sprecher verschwand auch. Es wurde richtig meditativ, vielleicht 10 bis 15 Läufer sind noch auf der Strecke verteilt.

Die verschobene Labe war etwas unangenehm für den Trinkrhythmus, weil statt Labe bei km1 und dann mein Zelt bei km2, gab's jetzt Zelt bei km2 und Labe bei km2.2, also praktisch in einem und dazwischen nix. Nicht so schlimm, weil es eh nicht heiß war in der Nacht, aber einfach für die Abwechslung wär's netter gewesen mit zwei Punkten mit Menschen.

Nachtlabe
Mittlerweile ist es Mitternacht, 14h und etwas über 116km sind erledigt und ich kann immer noch laufen. Eine Premiere für mich: der erste 24-Stundenlauf, wo ich um diese Zeit noch Laufschritte schaffe. Da sollte doch nix mehr grob schief gehen können heute.

Die letzte Stunde bin ich langsamer geworden, habe irgendwie keinen richtigen Rhythmus mehr. Also muss doch der analytische Martin wieder hervorkommen und ich überlege, was ich denn so machen könnte. Ernährungstechnisch bin ich immer noch auf Soletti/Schoko/Cola unterwegs, muss also mit der Energie aufpassen. Ich überlege mir, dass extensive Intervalle doch gut sein müssten, da der Körper da genug Zeit zum Erholen hat. Also gibt's jetzt eine neue Regel für mich: 100m Gehen, 200m Laufen. Ausnahme gibt's nur auf den selektiven ersten 900m, dort gibt das Gelände Gehen und Laufen vor. Das funktioniert sehr gut, interessanterweise gibt es auch im flachen Teil leichtere und schwerere 200 Laufmeter, es dürfte also doch unmerklich ganz leicht rauf und runter gehen. Aber ich schaffe die 200m und insgesamt wird das Laufen sogar Runde für Runde wieder leichter. Auch die Konzentration auf die 100m-Markierungen hilft, die Müdigkeit zu überwinden.

Läufer erholen sich
Ich dürfte einen steady-state-Zustand zwischen Energiezufuhr und Energieverbrauch gefunden haben. Die Rundenzeiten werden jetzt auch sehr stabil und sogar etwas schneller. Ab und zu übersehe ich auch mal eine 100m-Markierung, dann wird das Laufen halt etwas länger, aber die Zeit kann ich eh brauchen, wenn ich mal wieder für die Rasenbewässerung sorge.

Meine Soletti muss ich leise beim Zelt nehmen, weil sonst wacht Carola auf und nimmt ganz pflichtbewusst meine Zwischenzeit im Halbschlaf - piiiiieeeeeeps macht es unter der Decke. Aber sie soll sich jetzt wirklich erholen und schlafen, also spiele ich Mikado mit den Soletti. Ich schaffe es so, dass Carola einige Rundenzeiten überschläft.

Irgendein Läufer hat bei km1.7 einen Plastiksessel hingestellt. Der Sessel steht so richtig einsam herum und ruft hinterhältig: "ich bin da, setz dich hin, erhole dich, mach's dir gemütlich". Also genau das Gegenteil, was ein 24-Stundenläufer braucht. Nach einigen Runden halte ich das Rufen des Sessels nicht mehr aus, er wird mir zu lästig, bekommt daher einen sanften Tritt von mir, kippt um, streckt alle vier Beine in die Höhe und ruhig ist er.

Start/Ziel bei Nacht
So rollte es bis 2h30 in der Früh, Carola ist mittlerweile auch längst wieder munter und feuert die wenigen verbliebenen Läufer - mittlerweile nur mehr etwa 10 - an und muntert auch die Leute an der Labe etwas auf. Beide sind wir stolz, dass ich nach 16h30 und 136km immer noch laufen kann und sich das für mich sogar locker anfühlt. 180 bis 190km schienen nun tatsächlich realistisch, 170km eigentlich sicher. Sollte das heute wirklich MEIN Lauf werden?

Doch dann, am Ende der 61. Runde (17h, fast 139km): das Laufen wird auf einen Schlag massiv schwerer, es ist nur mehr ein schleifendes Trippeln, kaum Schneller als Gehen, möglich. Die Muskulatur krampft nicht, ist aber einfach steif. Ich fühle mich total energielos, ohne jeglichen Speicher. Iso zu trinken traue ich mich nicht, aber damit der Körper eine Chance hat, sich zu erholen, setze ich mich auf die Liege, esse und versuche, nach 10 Minuten weiterzumachen. Aber es geht nicht. Nur Minischritte sind möglich, ich brauche statt 10 bis 11 Minuten nun 18 Minuten pro Kilometer. Es ist auch kein richtiges Gehen, sondern ein Drehen der Hüfte und damit ein Vorwärtsbringen der Beine, aber keinerlei Dynamik mehr im Kniegelenk. Und es ist anstrengend und ich bin sooooo leer.

Ich versuche es aber weiter, komme kaum mehr voran. Die leichten Anstiege werden zur Eiger-Nordwand. Ich brauche immer wieder Stehpausen nach 300m oder auch weniger. So schaffe ich doch noch vier weitere Runden bis um 5h in der Früh.

Doch nach 19h und 148km geht dann endgültig gar nix mehr. Ich habe auf der 66. Runde nur mehr ein einziges Ziel: nicht umkippen und zum Zelt zurückkommen. Endlich bin ich beim zuvor so verächtlich umgekickten Sessel. Ich entschuldige mich bei ihm, richte ihn auf und lasse mich nieder um Kräfte für die restlichen 500m bis zum Zelt zu sammeln. Unglaublich, dass 500m so unschaffbar weit sein können. Irgendwann war ich dann aber doch beim Zelt zurück und legte mich auf die Liege.

Auch wenn ich total energielos war, so hatte ich doch noch genug Energie, um zunächst Carolas Versuche, mir eine richtige Erholung - mit warmer Decke und Schuhe ausziehen - zu ermöglichen abzuwehren, denn ohne Decke würde mir doch nachher wieder kalt werden!?!? Tja, ich war wohl jetzt geistig auch etwas hinüber. Aber Carola hat dann einfach nicht mehr mit mir diskutiert, sondern mich einfach eingepackt und mir die Schuhe ausgezogen. Das hat zwar gut getan, aber der Körper hat sich leider auch nicht so erholt, wie Carola und ich mir das vorgestellt hatten. Auch nach 1h30 auf der Liege war es noch nicht wirklich besser, daher ging ich halt einmal Duschen.

Die Dusche ist leider nur lauwarm, also auch nicht der Genuss, den sich mein geschundener Körper gewünscht hätte. Carola meint zwar, dass die Damendusche wärmer wäre, aber das bekomme ich nicht mehr wirklich mit. Nach der Dusche gibt's auch noch ein weiteres Missverständnis zwischen Carola und mir, sie glaubt, dass ich noch eine Runde gehen möchte. Und ich denke, dass sie einfach nicht versteht, dass nix mehr geht. Zum Beweis quäle ich mich halt noch über eine Runde. Die ist aber das gleiche Drama wie die Runde zuvor, wieder leistet mir der Sessel bei km1.7 gute Dienste. Danach ist dann aber wirklich Schluss. 152,154km sind es schließlich geworden.

So beginnen wir dann etwas über eine Stunde vor Rennende mit dem Abbau, denn wirklich viel hält uns nicht mehr in Fano. Eine mögliche Besichtigung scheitert an meiner Bewegungsunfähigkeit - Spazierengehen ohne Gehen zu können bringt nicht so viel ;). Außerdem hat Carola noch einiges für ihre morgige Dienstreise vorzubereiten, was in einer Flughafen-Lounge komfortabler möglich ist als in einem mit dem 24-Stundenlauf-Equipment vollgestopften Wohnmobil. Und auch ich möchte eigentlich - nachdem ich Carola zum Flughafen gebracht habe - möglichst bald einen Übernachtungsplatz finden. Dass ich dann doch noch bis Klagenfurt gefahren bin und damit früher als Carola, die noch lang am Flughafen festhing, wieder zurück auf österreichischem Boden war, ist eine andere Geschichte :). Von Fano selbst haben wir somit nicht wirklich etwas gesehen, es wirkt aber ganz nett. Ob es dort wirklich das Meer gibt, kann ich aber nicht bestätigen. 

Fazit: im ersten Moment war die Enttäuschung natürlich riesengroß, dass - obwohl es solange so gut ausgesehen hatte - letztendlich doch wieder nicht die Kilometeranzahl als Ergebnis da steht, welches meinem - zumindest im Selbstbild - tatsächlichen Leistungsniveau entspricht. Frustration kam natürlich auch auf: wieder der ganze Aufwand, der Anreisestress für Carola und auch einiges an Kosten für ein unbefriedigendes Ergebnis.

Am nächsten Tag sah die Welt aber schon wieder besser aus. Denn auch wenn ich meist auf den noch auf die perfekten 100% fehlenden Teil fokussiere, so nehme ich aus Fano doch mit, dass das 24-Stundenlauf-Glas immerhin schon zu mehr als 2/3 voll ist - und nicht zu 1/3 noch leer. Immerhin habe ich die erste Krise (Durchfall) recht gut weggesteckt, eine Lösung dafür gefunden und konnte danach sogar wieder an Tempo zulegen. Ich bin laufend solange und soweit gekommen wie noch nie. Irdning war also wohl nicht Unvermögen, sondern wirklich ein rabenschwarzer Tag. Ein bisschen fehlt noch, dass ich einen 24-Stundenlauf einmal komplett durchziehen kann, doch irgendwann wird es passieren. Das war jetzt sicherlich wieder ein Schritt dorthin. Aber jetzt ist mal einige Zeit Ruhe mit solchen Ultra-Ultra-Läufen, weil davon, Wochenenden fast nur mit Training zu verbringen, habe ich momentan genug. Der Kopf braucht auch wieder mal was anderes.

Aber nächsten Herbst wartet ja ein Startplatz beim 24-Stundenlauf in Brugg auf mich - denn aufgrund meiner Verletzung konnte ich ja nicht starten, eine Rücküberweisung des Nenngelds ist nicht möglich, aber der Startplatz wird aufs nächste Jahr verschoben. Und das klingt doch verlockend: dann sollte auch der Körper sowie der Kopf wieder bereit und gierig auf das Erlebnis 24-Stundenlauf sein - auch wenn ich in Fano nach etwa 8 Stunden zu Carola sagte, dass ich da schon ein extrem dämliches Hobby habe, aber über Nacht wird man ja wieder klüger. Oder noch verrückter??? :D

In diesem Sinne: der Blog wird mit Ultraläufen und auch 24-Stundenläufen weiterleben ... denn wie sagte schon Pierre de Coubertin: "Entscheidend im Leben ist nicht so sehr zu siegen, sondern anständig zu kämpfen" - und was eignet sich da besser als 24-Stunden im Kreis zu laufen.

Montag, 8. Oktober 2012

24-Stundenlauf von Fano - Teaser

Nur wenige wussten davon: mein Masseur, mein Trainer, ein italienischer Lauffreund von Carola, mein Osteopath und meine Orthopädin (gut, der hab' ich nicht die ganze Wahrheit erzählt, hätte mich wohl für verrückt gehalten, montags die Achillessehnenansätze zu infiltrieren, damit ich samstags ein 24h-Rennen bestreiten kann ;-) und natürlich Carola.

Jedenfalls machte es dieser Kreis doch noch möglich, dass ich an den 24-Stunden von Fano (Italien) (http://www.ultramaratonadifano.it/) teilnehmen konnte.

Kurzfassung: 16.5 Stunden von 24 liefen nach meiner Vorstellung, über den Rest breiten wir besser den Mantel des Schweigens. Offizielle Ergebnisse gibt's noch keine, mit ~152km haben sich meine Erwartungen wieder nicht erfüllt ...

Bericht folgt, die Achillessehne hat jedenfalls problemlos gehalten.

Montag, 9. Juli 2012

An Tagen wie diesen ...

Nun ist es also soweit, Freitag, 6.7.2012.

Abfahrt zum 24-Stundenlauf nach Irdning. In Wien ist es seit Tagen unerträglich heiss, die Luft steht, in der Wohnung hat es beständig über 30 Grad. Schlafen ist alles andere als erholsam. Nichts hält mich also in der Stadt, ich breche bereits am Vormittag nach Irdning auf. Carola wird dann am Abend eintreffen, da sie noch auf einer Konferenz in Starnberg ist und dann mit den Zug via München nach Stainach kommt. Eine ultraliche Anreise zu einem ultralichen Lauf.

Die Fahrt nach Irdning wird zum Hitzetest, aber je näher ich Irdning komme, umso bewölkter und angenehm kühler wird es. Pünktlich zu meiner Ankunft beginnt es dann auch schon leicht zu tröpfeln. Mein Lager schlage ich heuer in der ELK-City auf. Denn es steht heuer wieder ein 24-Stunden-Megastaffel-Damenweltrekordversuch am Programm, powered by ELK. Aufgrund ihrer Verletzung kann Carola wohl weitgehend leider nur als Non-Running-Captain agieren, aber ich genieße den Vorteil, an der Infrastuktur des Teams und auch am VIP-Status des ELK-Teams partizipieren zu können. Der VIP-Status beinhaltet unter anderem die Nutzung der fix vorhandenen Campingplatz-WCs - doch angenehmer als die Mobil-Toiletten, vor allem in der Nacht und bei möglichem Schlechtwetter.

Dank des Regens und meiner frühen Ankunft ist bei der Startnummernausgabe extrem wenig los, stressfrei und mit netter Plauderei erhalte ich meine Startunterlagen sowie die Eintrittskarten zum VIP-Abend, wo Carola in meiner Vertretung, die wiederum die Vertretung meiner vielen privaten Unterstützer ist, die Ehrung für den Sponsorsieger Einzelläufer 2011 erhalten wird.

Mittlerweile regnet es etwas heftiger und ein leichtes Gewitter zieht über Irdning. Aber gut, heute darf es ruhig noch regnen. Zwar nicht ideal für die abendlichen Laufbewerbe, aber immer noch besser als während des 24-Stundenlaufs.

Ich nutze die Zeit, um einmal ordentlich meinen Elektrolytgetränkvorrat für morgen anzumischen. Wie immer der während meiner 12h-Trainingsläufe bewährte Mix von UltraSports Buffer. Acht Liter sollten einmal für die ersten mindestens 10 Stunden reichen. Nachschub wird dann Carola während des Rennens produzieren. Das Wetter hat dann auch Mitleid mit den Abendbewerben und es hört auf zu regnen. Ich bin auch mit der Energieproduktion für morgen fertig und daher steht die Streckenbesichtigung am Programm. Es ist zwar ohnehin im Wesentlichen die gleiche Strecke wie letztes Jahr, aber man weiß ja nie. Und außerdem mal schauen, wer von den Bekannten schon aller da ist.

Und so entdecke ich schon das Team von Fit in Leo mit meinem Freund Thomas und auch der LC Erdpress (wo ich 2011 Betreuung fand) baut bereits sein Zelt auf. Das Dritte in drei Jahren übrigens, weil der Wind entweder während oder nach dem Lauf (so war's letztes Jahr) zugeschlagen und das Zelt vernichtet hat. LC Erdpress ist daher gespannt, ob das Zelt dieses Jahr überleben wird. Ansonsten ist es noch recht ruhig an der Strecke.

Am Abend findet dann die Nudelparty statt, wobei die größte Herausforderung ist, das Zelt zu finden, in welcher diese stattfindet. Eine - etwas unangenehme Eigenschaft - von Irdning ist nämlich, dass die Helfer nur sehr speziell geschult sind und nicht alle wesentlichen Eckpunkte kennen. So zum Beispiel, wo denn die Nudelparty ist. Ehrliche Antwort eines Helfers: "I hob zwoa so offizielles Kartl do umhängn, aber wo die Nudelparty is woas is a net, wos bled is". So irrten wir ein wenig am Gelände herum, sahen dann aber eine Nudeln essende Gruppe und fragten, ob die Nudeln von der Pasta-Party sind. Ja, sind sie. Und wo ist die Pasta-Party? Da hinten im großen weißen Zelt. Das war natürlich super, denn dieses große weiße Zelt war mehr oder weniger direkt gegenüber der ELK-City. Wir sind also einmal das ganze Festgelände abgegangen um am Ende wieder bei der ELK-City zu sein ;-). Aber gut, Nudelparty gefunden. Die Nudeln waren ganz in Ordnung, allerdings hielt ich mich zurück, bloß nicht den Magen verwirren. Denn der Start morgen um 14h wird ohnehin belastend genug mit einem verspäteten zweiten Frühstück bzw. verfrühten Mittagessen. Nicht so richtig ideal, aber anders wird's nicht gehen.

Nach der Pastaparty zog ich mich zurück, um ein wenig Ruhe zu finden und bald schlafen zu gehen. Das war nicht ganz einfach, da das Volksfest nun anlief. Aber mit Ohropax fand ich doch recht bald ins Land der Träume, welches morgen 200km für mich bereit halten sollte.

Samstag, 7.7.2012

Der Schlaf war sehr erholsam, denn im Gegensatz zu Wien wurde es in der Nacht recht kühl und damit auch im Wohnmobil sehr angenehm. Allerdings war ich schon um 7h30 munter und konnte nicht mehr weiter schlafen. Der normale Schlafrhythmus gepaart mit der Aufregung machte sich eben bemerkbar. Aber gut, es war ohnehin noch einiges zu erledigen.

So baute ich noch meine zusätzliche Infrastruktur auf: Faltpavillon, Essensvorräte, das wichtigste Gewand für schnelles Wechseln während des Laufs, Faltstuhl, Liege. Letztere war aber eher für die Power-Damen vom ELK-Team gedacht. Auch Carola bekam noch eine Einschulung, wo ich meine Unmengen an Material (Essen, Gewand, Iso, etc.) im Wohnmobil verstreut hatte und was ich wann haben möchte oder möglicherweise haben möchte. War es in der Früh noch angenehm kühl, so kam recht bald die Sonne heraus und es begann sich rasch aufzuheizen. Aber der leicht wehende Wind machte die Temperaturen halbwegs erträglich.

Nachdem die Vorbereitungen gegen 11h erledigt waren, rastete ich noch ein wenig, begann Neuigkeiten zu bloggen und es gab Mittagessen: wie schon letztes Jahr ein Käseweckerl mit Gurkerl.

Um 12h30 ging ich dann zur Läuferbesprechung, wo es aber nicht wirklich neue Informationen gab. Danach wieder zurück in die ELK-City und langsam umziehen. Die Sonne hatte das Zelt und das Wohnmobil schon ordentlich erhitzt. Hier war jetzt der VIP-Status super, denn ich konnte mich im Sanitärbereich des Campingplatzes direkt neben der ELK-City umziehen. Ordentlich Platz und kühl. So war auch das stressfrei erledigt.

Als ich wieder ins Freie trete, treffe ich David L., der gerade versucht, einen Zeltplatz zu finden. Denn heuer finden auch die "Österreichischen Meisterschaften im 24-Stundenlauf" im Rahmen des Benefizlaufs statt. Daher finden auch die Regeln der IAU (http://www.iau-ultramarathon.org/) bzw. IAAF Anwendung, die besagen, dass die individuelle Betreuung der Athleten nur innerhalb eines gekennzeichneten Bereichs über die Länge von maximal 400m erlaubt ist. Leider funktionierte die Kommunikation zwischen Rennleitung und Camp-Platz-Vergabe nicht so richtig, sodass einige Teilnehmer an den Meisterschaften mitten im Gemüse und außerhalb der offiziellen Betreuungszone platziert wurden. Nicht gut, denn eine Betreuung außerhalb des offiziellen Bereichs führt zur Disqualifikation. So musste die Rennleitung dann gemeinsam mit den betroffenen Läufern im letzten Moment noch improvisieren um alle in der offiziellen Zone unterzubringen.

Nun war es auch schon gleich 14h, also auf zum Start und Vorstellung beim mir zugeteilten Rundenzähler. Naja, nicht ganz, denn mein Rundenzähler war noch nicht da, würde aber gleich kommen. Es war nicht einmal mehr fünf Minuten bis zum Start. Also warten kann ich jetzt eigentlich nicht. Na egal, ich werd ihn eh noch sehen in den nächsten 24 Stunden, aber vorstellen gehört halt für mich schon irgendwie dazu. Ein schlechtes Omen? Nein, glaub ich eigentlich nicht. In der Hinsicht bin ich nicht abergläubisch.

So ging es jetzt wirklich in den Startbereich und allen bekannten Gesichtern alles Gute für die nächsten 24 Stunden zu wünschen. Bis jetzt hat eigentlich alles perfekt und ohne Stress geklappt. Mein Rennen kann kommen. Ich bin bereit.

Punkt 14h fällt der Startschuss und das Feld setzt sich schnell (ganz vorne die Megastaffeln), flott (die 4er-Staffeln), schnell (die 12-Stundenläufer) bis gemächlich (die 24-Stundenläufer) in Bewegung. Auch ich trotte los, nur schön langsam. Ich gebe meine Backup-Uhr bei Carola ab und versuche auf den ersten Runden meinen Rhythmus zwischen Laufen und Gehen zu finden. Sollgehstelle ist wie immer der Hügel nach ca. 1.2km. Ansonsten suche ich mir noch einige markante Wegpunkte, um Orientierung zu haben. Schatten und Sonne spielt natürlich auch eine Rolle. Jede fünfte Runde plane ich die Gehphasen etwas zu verlängern, um dem Körper Erholung zu gönnen. Das spielt sich eigentlich gut ein, ich bin etwas, aber nicht viel schneller als mein Plan. Mein Plan? Ja, natürlich habe ich einen Plan - nicht nur einen Traum. Also Karten auf den Tisch: ich versuche 200km zu erreichen, was von meinen beiden 12-Stundenläufen her im Optimalfall möglich sein sollte. Daher wollte ich 110km in den ersten 12h anlaufen und dann im Idealfall noch 90km in den zweiten 12h. Realistisches Ziel sollten eigentlich 170km bis eher 180km sein und meine 160km vom Vorjahr zu übertreffen sollte eigentlich fast einbeinig hüpfend möglich sein. So weit die Theorie. Noch stelle ich mir das also sehr einfach vor.

Und es läuft auch sehr gut, ich finde den Rhythmus, das Lauf-Feeling wird von Stunde zu Stunde eigentlich besser. Es herrscht Superstimmung entlang der Strecke, auch weil die Megastaffeln mit toller Infrastrukur (Musikanlage, Blasmusik) sehr gut über die Strecke verteilt sind. "An Tagen wie diesen" höre ich unzählige Male an diesem Wochenende. Es ist quasi DAS Lied des Laufs. Ich kenne eigentlich an jeder Ecke jemanden, werde ständig angefeuert. Schon recht bald stellt sich allerdings ein Hungergefühl ein, früher als normal. Noch ist es aber nicht Zeit mit Iso anzufangen, also ein paar Stücke Banane essen, damit der Magen aufhört zu knurren. Es ist zwar warm, die Sonne ist heraußen, aber der Wind macht die Temperaturen sehr angenehm und auch den Gegenwind empfinde ich nicht als störend. Nur für meine Labestation ist der Wind nicht ideal, da fliegt doch immer wieder was durch die Gegend. Aber Carola sorgt immer wieder für Ordnung.

Nach 1h20 beginne ich mit der Iso-Versorgung sowie etwas später auch mit dem ersten Gel. Jetzt kommt die geballte Kraft von UltraSports. Das kenne ich, jetzt also schön vorsichtig, die Kraft genießen, aber nicht überziehen. So laufe ich also ruhig meinen Rhythmus weiter und das die nächsten Stunden.

Den ersten Höhepunkt gibt es dann nach 6h30 und ca. 61 zurückgelegten Kilometern. Ein ordentliches Gewitter zieht direkt über Irdning hinweg, bringt starken Regen und vor allem bedrohlich wirkende Blitze. Ich habe doch einigen Respekt, denn es ist ordentlich Eisen auf der Strecke vorhanden (teilweise Streckenmarkierung, Stahlgerüstbrücken über die Strecke). Kurz liebäugle ich mit einer Pause, ziehe mir Übergewand an und suche in meinem Pavillon Zuflucht. Mittlerweile ist der Regen aber nicht mehr ganz so stark, also verwerfe ich meinen Pausengedanken nach einer Minute wieder, schnappe mir einen Regenponcho und mache mich wieder auf den Weg. Die Blitze sind aber immer noch da. Aber wie's bei so einer Massenveranstaltung halt ist: solange keiner offiziell sagt "geht's von der Strecke" ist keiner vernünftig genug es von selbst zu tun. Wird schon nix passieren. Und wenn was passiert, dann hat's eh jeder gewusst. Ich kann mir nun in etwa vorstellen, wie es zum Unglück auf der Zugspitze kam. Aber auch ich bin nicht vernünftig, trotte weiter. Fahre einmal ziemlich zusammen, als ein Blitz gefolgt von Donner gefühlte 50m (es muss wohl deutlich weiter weg gewesen sein, sonst würde ich jetzt nichts mehr schreiben) neben mir einschlägt. Das war's dann aber, das Gewitter ist endlich weitergezogen. Es donnert nur mehr in der Ferne. Interessant ist auch die Improvisationskunst bei so einem Lauf. So funktionierte ein Betreuer während der Regenphase ein Mobilklo zur regengeschützten Betreuungsstation um ... mmmmh, die Verpflegung mit der besonderen Würze. Glücklicherweise nicht meine ;-)

Damit wäre das Gewitter erledigt, wir haben es nur mehr mit Regen zu tun. Aber mit Regenponcho und Schuhwechsel ist es eigentlich ein angenehm warmes und gemütliches Laufgefühl. Nicht ganz ideal, aber auch nicht wirklich schlimm.

Nach 7h30 dann überraschenderweise der erste WC-Stop. Der war eigentlich erfahrungsgemäß erst nach 10h geplant. Aber dank der Infrastrukur als ELK-VIP gemütlich am festen Camping-WC. Nun ja, fast gemütlich, denn Verena Pe. vom ELK-Damenteam hat mir zwar ganz toll schon den Schlüssel bereit gehalten, allerdings campierte im Sanitärbereich innen nun eine vor dem Regen geflüchtete Staffel. Und ganz ideal mit dem Campingsessel direkt vor zwei der drei WCs. Und am Weg zum dritten einzig betretbaren wurde gerade massiert. Ich - im fokussierten Laufmodus - war davon wenig begeistert und forderte recht vehement freies Geleit zum WC. Das bekam ich dann murrend aber doch. Auch wenn es nicht ganz verstanden wurde, warum ich denn nicht Tempelhüpfen zum ohnehin freien WC mache. Aber gut, depperter Ultraläufer halt. So kam ich aber dann doch zu meinem Recht auf ein WC.

Danach lief es wieder weiter, es wurde aber nach 8h doch etwas zäher, den geplanten Schnitt zu halten. Aber es waren ohnehin nur mehr 4h, dann durfte ich ja gemäß meines Plans langsamer werden.

Nach 9h der nächste Klo-Stop. Was ist denn heute los? Normalerweise der erste erst nach 10h und heute schon der zweite nach 9h und 1h30 nach dem ersten? Ich hatte zwar keinen Durchfall oder ein sonstiges Problem, aber die Frequenz war doch ungewöhnlich. Warum ist heute nicht alles so wie sonst? Warum gerade heute? Aber gut, ist halt so. Wenigstens nutzte ich die Zeit auch gleich zur Tempoadaption und revidierte meine Rundenzeiten etwas. Diese Zeiten waren dann auch halbwegs machbar, aber weit weg von einem wirklich erholsamen Tempo. Gar nicht gut. Zu früh für Anstrengung.

Und nach 10h, 89.3km bzw. ziemlich genau mit dem Feuerwerk um Mitternacht machte es dann nicht nur am Himmel "bumm". Schlagartig war mein Energielevel auf 0. Laufen war so anstrengend, dass ich wusste, wenn ich jetzt weiter laufe, dann ist bald endgültig Schluss und ich halte die restlichen 14 Stunden auf keinen Fall durch. Also ab in den Gehmodus, aber immer wieder Anlaufen versuchen, damit der Körper nicht komplett abriegelt. Dazu auch Cola als Rettungsmaßnahme. Bringt nur leider alles nichts. Ich bin auch extremst müde, will nur mehr schlafen, schlafen, schlafen. Dieses Gefühl hatte bisher nicht um Mitternacht sondern frühestens um 2h oder 3h in der Früh - und da auch nicht so heftig. Irgendwas passt da heute gar nicht.

Ich habe also 10h hinter mir, noch 14h vor mir, und absolut nicht das Gefühl, dass ich heute/morgen noch irgendwie ins Laufen kommen könnte. Und 14h nur mehr Gehen - Horror. Ich bin ja ziemlich deppert im Schädel (sonst würde ich wohl gar nicht an den Start gehen - sagen zumindest immer wieder Leute zu mir :-D), aber das pack' ich nicht. Meine Ziele von weiter oben kann ich sowieso vergessen. Eigentlich will ich aufgeben. Aber ich habe mich so um private Sponsoren bemüht, die auch meinem Aufruf begeistert gefolgt sind, sich viele Kilometer von mir erwarten, damit Geld für den guten Zweck hereinkommt. Ich kann also nicht nach 89km die Segel streichen. Ich muss weiter. Es geht hier nicht um mich, es geht um Leute, die leiden und zwar nicht freiwillig, weil sie sich einen 24-Stundenlauf antun, sondern weil sie nicht anders können! Und gehen kann ich ja noch. Es macht zwar keinen Spass, aber es geht. Es schadet mir nicht, es ist halt einfach fad. Und ich verfehle meine Ziele.

Ich trotte also weiter. Immer wieder versuche ich Anzulaufen, hat sich der Körper wieder erholt? Nein, hat er leider nicht. Im Gegenteil. Plötzlich fangen die Ansätze der Achillessehne wieder zu zwicken an. Genau die Verletzung, welche mich schon im Frühjahr einige Wochen aufs Ergometer verbannt hatte und die jetzt ein intensives Tempotraining immer noch verhindert. Aber beim Ultralaufen war es die letzten Monate eigentlich kein Problem. Und ausgerechnet heute meldet sich die Sehne wieder. Muss denn das sein? Jetzt war also auch mit Anlaufen nix mehr, weil bei aller Liebe zum Benefizgedanken, einen wochenlangen Kampf mit einer schmerzenden Sehne will ich wirklich nicht. Also Laufverbot, Gehen geht noch halbwegs, Schmerzen sind da, aber nur Gehen sollte keinen schlimmen Schaden anrichten. Mit 10 Minuten am Kilometer gehe ich auch einigermaßen flott, es geht halbwegs was weiter. Spannend ist es nicht.

Aber nach 12h sind doch auch so 100km absolviert. Wenn ich so weitergehe sind immerhin noch 160km möglich und ich könnte sogar eine neue Bestleistung erreichen. Das ist wenigstens halbwegs motivierend. Nicht das, was ich erwartet habe, aber angesichts der Umstände doch ganz okay.

Nach 14h ist dann allerdings flottes Gehen auch nicht mehr möglich. Meine Beine sind steif, meine Sehne schmerzt jetzt doch etwas mehr, ich kann nur mehr Spazierengehen bzw. mich mit fast 13min/km über die Strecke schleppen. So halt ich das wirklich nicht mehr aus im Kopf. Höre ich jetzt wirklich auf?

Ich gebe mir noch eine letzte Chance, gehe zur Massage. Das ist zwar angenehm, lockert die Muskeln ein wenig, bringt aber auch kein Gehtempo zurück. Weiterhin 13min/km und langsamer. Ich wechsle die Schuhe. Auch ohne Erfolg. Mittlerweile ist mir auch kalt. Ich nehme eine Suppe zum Aufwärmen ... brrrrr, damit wäre auch mein Salzvorrat für die nächste Woche gedeckt. B'soffene sind auf der Strecke, spielen sich mit der Erfrischungsdusche. Ich habe Angst nass zu werden, mir ist ohnehin schon saukalt. Sie finden's lustig, lallen mir irgendwas zu von "nachher wird's eh auch wieder kalt", erwischen mich aber glücklicherweise nicht. Vollidioten! Aber nächste Runde sind sie wenigstens verschwunden.

Nach 15h30 und 117.7km: Ich kann nicht mehr, es hat keinen Sinn mehr. Es reicht mir. Ich will nicht mehr. Das wird heute einfach nix mehr. Meine Hände sind von Salz, Iso, Wasser, Schweiss aufgesprungen und teilweise leicht blutig als ob ich mich geschnitten hätte. Etwas angreifen tut weh. Gedanken der Verzweiflung. Die ganze Schinderei im Training umsonst, die durchtrainierten Wochenenden vergeudet. Der Tag X ist versemmelt. Aber der Körper tut einfach nicht mehr ...

ICH GEBE AUF. Ende der Veranstaltung, das war's! (Anmerkung: weiterlesen lohnt sich hoffentlich trotzdem ;-)

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Ich rolle mich in eine Decke ein, setze mich an die Strecke und feuere die Kollegen an, die sich noch auf der Strecke befinden - auch schon viele gezeichnet. Aber wenn ich schon nicht mehr kann, dann versuche ich wenigstens den anderen Energie zu geben.

Dann gehe ich heiß duschen - herrlich. Ich bin etwa eine halbe Stunde im Wasser. Ich fühle mich wieder als Mensch. Ich bekomme Hunger. Da habe ich doch die letzten 16h permanent einen Stand mit "Pizzeria"-Banner gesehen. Ja, das wär jetzt was. Eine Pizza um 6h morgens. Der Stand ist 300m von der ELK-City entfernt, liegt direkt an der Strecke. Hmmmmmm, so eilig hab ich's eigentlich nicht, anfeuern kann ich auf der Strecke auch.

Also montiere ich mir nach 16h45 wieder meinen Chip und mache mich auf zu einem Spaziergang ... und zwar in Laufrichtung. Weil dann habe ich bzw. meine Sponsoren wieder eine Runde mehr. Ich bin genauso langsam wie vorher, aber jetzt ist das in Ordnung. Weil jetzt *will* ich spazierengehen. So komme ich zum Pizza-Stand. Nur hat der leider keine Pizza. Mist, mein Kopf - schon leicht hinüber - war eh schon lange genug mit der Entscheidung für Pizza beschäftigt. Was jetzt? Ich sehe ein Kind mit Langos. Ah, Langos. Auge an Mund: ich will Langos. Und schon hatte ich ein Langos bestellt. Während das Langos im Fett bruzelt erzählt mir die Standlerin, dass sie seit gestern 8h morgens durchgehend im Einsatz ist. Ui, das Öl dann wohl auch ... was hab ich denn da getan, aber jetzt kann ich auch nicht sagen, nein, ich will das Langos nicht. Also freu' ich mich auf mein Langos ;-) und gehe zurück auf die Strecke.

Mit meinem Langos bin ich die Attraktion. Hatte bisher noch kein Teilnehmer als Verpflegung. Einige wundern sich, dass mein Magen das aushält. Na gut, ich bin ja auch nicht mehr leistungsorientiert unterwegs sondern Spass-"Läufer". Aber während des Langosverzehrs hab ich wieder eine Runde mehr erledigt.

Und so spaziere ich weiter und weiter. Das gute an Irdning: man kennt sich. Ich habe Spass daran, die anderen anzufeuern, mache den Fan auf der Strecke. Ich unterhalte mich mit Georg M., dem Sieger des Vorjahrs. Er jammert schon ziemlich, sieht aber eigentlich gar nicht so schlecht aus. Plötzlich wird ihm allerdings kalt, er erhält von seiner Betreuerin noch Schal und Jacke, kippt dabei aber fast um. Ich stütze ihn ein wenig. 100m später ist glücklicherweise die Sanitätsstation und die Sanitäter schlagen ihm vor, ob er sich nicht ausrasten möchte. Allerdings so bestimmt, dass es ohnehin keine Widerrede gibt. Georg muss dann leider den Lauf beenden. Ich fühle mit ihm, hätte ihm so sehr ein gutes Ergebnis vergönnt. Wie ich überhaupt sehr vielen einen Stockerlplatz gewunschen hätte. Echt blöd, dass es nur drei davon gibt.

Allgemein schaut es auf der Strecke nicht mehr gut aus. Außenstehende müssen sich wirklich denken, dass es sich hier um eine Freak-Show handelt. Einige Läufer mit extrem schiefer Haltung, ein unfreiwilliger Rückwärtsläufer, der sein Knie nicht mehr abwinkeln kann und daher rückwärts schneller ist als vorwärts, leicht apathische Läufer sind sowieso Standard. Ich hingegen bekomme Komplimente, wie frisch ich noch aussehe. Na, kein Wunder nach der Duschpause und als Spaziergänger.

Nach 19h und immerhin wieder 10km mehr als bei meiner Aufgabe brauche ich doch wieder eine Pause. Also rein in meinem Sessel (bin total begeistert, daher hier etwas Werbung: http://www.mehari-offroad.de/shop/article_05.20300/Regie---Faltstuhl-Frontrunner-Expander.html?shop_param=cid%3D1%26aid%3D05.20300%26) und wieder von außen Anfeuern.

Nach ca. 20 Minuten geht's wieder weiter und es kommt zu einem Rettungseinsatz. Die Siegerin des Vorjahres, Pauline M., hat nach 162km Kreislaufprobleme. Aber glücklicherweise erholt sie sich rasch, muss aber auch das Rennen beenden.

Nach 8km und damit immerhin schon 136km brauche ich wieder eine Pause. Die Wolken sind mittlerweile weg, die Sonne heraußen, es wird knusprig. Zwar nicht richtig heiß, aber unangenehm genug. Auch für mich, da ich ja so schön geduscht bin und mich nicht mehr mit den üblichen Kühlmethoden "Wasser über den Kopf" und "Wasser überall sonst hin" einsauen möchte ;-)

Aber ich tu wieder weiter. Allerdings schön langsam, mache einige Pausen im Schatten, setze mich hier und da an die Strecke.

Nach 22h30 bin ich wieder mal über der Zeitnehmungsmatte. Perfekt. Jetzt kann ich noch zwei volle Runden spazieren und eine Letzte dann noch zum Teil als Ehrenrunde mit dem ELK-Team. Ich erkundige mich bei Carola, wann denn die Ehrenrunde von ELK gestartet wird. Es wird aber keine geben, da es mit dem Weltrekordversuch recht knapp ist und es auf jeden Meter ankommt. Letztlich haben sie es geschafft und eine neue Rekordmarke erreicht. Bravo und herzliche Gratulation!

Nach 23h bin ich wieder über der Matte. Super. Es gehen sich also noch zwei volle Runden und eine Rückkehr zur ELK-City aus. Die vorletzte Runde mache ich jetzt etwas schneller - plötzlich geht das sogar -, weil dann kann ich auf der letzten Runde noch mit allen Bekannten der letzten 24 Stunden ein wenig tratschen.

23h22: Beginn der letzten Runde. Bedanken, Abklatschen, Plaudern. Allen voran beim LC Erdpress, wo ich - wie schon die letzten Stunden, aber da habe ich noch abgelehnt ;-) - auf ein kühles, erfrischendes Bier eingeladen werde. Herrrrrlich schmeckt das jetzt. DANKE!

23h54: ein letztes Mal über die Matte und weiter zur ELK-City.

23h57: ich schnappe mir meinen Stuhl, mache die Beine lang und genieße den Rest vom Bier.

146.31km sind doch zusammengekommen. Immerhin fast 30km mehr als zum Zeitpunkt meiner Aufgabe und 57km mehr als zum Zeitpunkt, wo ich ohne Sponsorenunterstützung die Segel gestrichen hätte.

Und weil ich von meinen Sponsoren spreche: vielen, vielen Dank für die EUR 1.495,81 die Euch meine Leistung für den guten Zweck wert ist! Bravo! Ihr habt mich angetrieben und es schmerzt aufrichtig, nicht mehr Kilometer herausgeholt zu haben. Unglaublicherweise wurde ich mit dieser Leistung auch Altersklassen-Dritter. Es war wohl wirklich bei vielen ziemlich der Wurm drin heuer.

Danke auch allen, die mich an der Strecke aufgerichtet haben (in beliebiger Reihenfolge, alle waren ungemein wichtig): das ELK-Damenweltrekord-Team, LC Erdpress, Georg und das Team von dertriathlon.com, das Team Lilek, Helmut S., das Admonter Running Team, die unglaublichen Rassler nach 300m, Fit in Leo, Freunde des Laufsports, Team Donautal, die Kuhglockenschwingerinnen, Team "Rüstige Handklatschen", Hubert & Bernadette, all die Helfer bei den Laben, die Streckenposten, Sanis & Ärzte (braucht man hoffentlich nicht, aber immer gut zu wissen, dass sie da sind), dem Massageteam, der Rennleitung rund um Toni Wippel und all die sonstigen begeisterten Gesichter entlang der Laufstrecke!

Fazit: es war ein sehr seltsames Rennen, auch viele echt gute Läufer sind eingegangen oder hatten Probleme und mussten teilweise früh aussteigen. Kaum einem Läufer ging es gut, obwohl ich die Bedingungen eigentlich nicht als so hart empfunden habe. Auch die Stimmung fand ich heuer - speziell auch in der Nacht - besser als letztes Jahr. Es war immer was los, nie fad. Die Infrastruktur für die Läufercamps ist sehr gut, nur die Labe für einen Lauf dieser Größenordnung in meinen Augen bescheiden. Die Suppe habe ich erwähnt, die Nudeln waren etwas geschmacklos, was den Ultragaumen wenig erfreut als Abwechslung zum Iso. Hier war die Auswahl in Vogau wesentlich besser, wo man nicht selbst für Soletti oder Salzbrezel sorgen musste. Gut, mittlerweile kenne ich Irdning, ein wenig verwundert es mich aber trotzdem. Weil so viel Aufwand wäre es ja nicht. Ansonsten hat bei mir wie beschrieben nichts geklappt wie sonst und ich stelle mir ernsthaft die Frage, war es das mit dem 24h-Laufen für mich? Bin ich zu blöd dafür? Warum hat es nicht funktioniert? Was habe ich falsch gemacht? Ich mache alles gleich wie bei den 12-Stundenläufen, Tempo sogar etwas geringer, vielleicht etwas zu hoch, aber doch nicht so ein Fehler für dieses Desaster schon nach 10h. Sollen aller guten (??) Dinge drei sein und war das mein letzter 24-Stundenlauf? Mal abwarten, die Zukunft wird es weisen. Wobei: mit der Leistung abtreten - hm, das wird's hoffentlich auch nicht sein.

Und als Grande Finale haben wir dann noch auf der Heimfahrt einen Steinschlag mit gesprungener Frontscheibe erhalten. Ein ziemlich schief gelaufenes Wochenende geht zu Ende.

Und oft habe ich mir die letzten Stunden beim Lauf gedacht: An Tagen wie diesen ... ist nichts wie's soll sein, An Tagen wie diesen ...  wünsch ich mir, es sei endlich vorbei.

Erledigt ...


Der 24-Stundenlauf 2012 ist Geschichte. Leider konnte ich die Ziele, die ich mir selbst gesetzt hatte, nicht erreichen und so wurden es unter unangenehmen Bedingungen (Hitze, Gewitter, Regen) nur 146,31km.

Ein ausführlicher Bericht folgt ... auch wenn ich den Lauf was das Sportliche betrifft eigentlich am Liebsten aus meinem Gedächtnis streichen wollen würde. Wenigstens war's wie immer ein Fest einer kleiner (verrückten?) Gemeinschaft, die sich gegenseitig unterstützt hat, um das Beste auf dem Lauf zu machen.

Und wenn ich nicht gewusst hätte, dass meine Kilometer durch meine zahlreichen Sponsoren einem guten Zweck dienen, so hätte ich wohl schon nach etwa 10h das Handtuch geworfen. Danke für die Motivation, doch weiter durchzuhalten!

Danke auch allen fürs Mitfiebern im Live-Blog!

Samstag, 7. Juli 2012

LIVE-Blog

So, richten wir mal ein Plätzchen für Live-Kommentare ein ... vielleicht gibt's ja welche.

Noch drei Stunden ...

... dann geht's endlich los. Die wesentlichen Vorbereitungen sind erledigt: 8lt Iso für die ersten 14 Stunden angerührt, Versorgungstisch aufgebaut, Gewand für die Nacht hergerichtet. Die letzte Nacht war sehr erholsam, erstmals seit langem Schlaf bei unter 20 Grad. Die Musik vom Volksfest war etwas laut, aber mit Ohropax dann auch erträglich.

Jetzt wird es schon wunderbar knusprig: braun werden wir am Nachmittag wohl werden. Dafür rechne ich aber mit einer ziemlich erfrischenden Nacht. Nun noch ein wenig dösen bevor es dann einerseits ein kleines Mittagessen und andererseits noch die Läuferbesprechung gibt.

Noch schaut's jedenfalls gut aus, ich bin immer noch vollfit. Möge es noch 27 Stunden so bleiben!

Donnerstag, 5. Juli 2012

Noch zwei Tage ... Vorberichte

Zum Einstimmen ein paar Berichte aus der Kleinen Zeitung ... es wird einiges los sein in Irdning

http://www.kleinezeitung.at/steiermark/liezen/3059864/party-rund-um-uhr.story

http://www.kleinezeitung.at/sport/mehrsport/3057716/24-stunden-lauf-irdning-rekorde-sollen-schmelzen.story

Dieser Artikel gefällt mir besonders gut, befasst er sich doch auch mit dem Benefizgedanken des Laufs, daher zitiere ich hier auch gleich den entsprechenden Text und darf noch einmal auf meine

Spendenseite http://martin24h.awardspace.biz 

hinweisen ...

http://www.kleinezeitung.at/steiermark/liezen/3057785/zwei-kilometer-aktionsradius-24-stunden.story


Der gute Zweck

Die Veranstaltung ist im Laufe der Jahre von einem überschaubaren Treff für Extremsportler zur Massenbewegung mit Volksfestcharakter mutiert. Der von Beginn an getrommelte Benefizgedanke ist dabei in der kollektiven Wahrnehmung in den Hintergrund getreten. "Es geht nicht darum, was der Mensch sportlich leistet, sondern darum, was der Sport menschlich leistet", lautet das Credo von Harald Scherz, "Erfinder" des Laufes und Hauptorganisator. "Wir versuchen diesen ursprünglichen Gedanken weiterzuverfolgen", betont Franz Kotzent vom Lions Club Liezen, der die Spendensammlung, die Verwaltung und Verteilung der Gelder vor drei Jahren übernommen hat. Im vergangenen Jahr wurden laut Lions Club rund 13.000 Euro erlaufen. "Damit wurden Einzelpersonen des Bezirkes in schwierigen Situationen unterstützt, aber auch allgemeine soziale Projekte", berichtet Franz Kotzent, Allgemeinmediziner, selbst begeisterter Ultra-Läufer und mehrfach beim 24-Stunden-Lauf am Start. So gingen zum Beispiel 3000 Euro an das Rote Kreuz, verwendet wurde das Geld zur Ausbildung von fünf Rettungssanitätern. 1000 Euro erhielt Special Olympics in Schladming, und mit 5000 Euro wird die "Sonneninsel" unterstützt, das erste Kinderrehabilitationszentrum in Österreich, das sich um kleine Patienten nach Krebserkrankungen kümmert. Eröffnet wird die Einrichtung im nächsten Jahr in Seekirchen am Wallersee. Laufend Gutes tun ist auch nach über 20 Jahren der Motor, der antreibt.


und ein letzter Bericht

http://www.kleinezeitung.at/steiermark/liezen/3045080/lauf-ultra-dimension.story

und das schon bekannte Video für alle, die nicht alle Berichte lesen ;-)


Noch zwei Tage ... es kribbelt ...

Langsam wird es ernst. Die Wohnung ist verpackt und fast wie vor unserem Einzug. Unglaublich, was mir so alles einfällt, dass ich in Irdning während der 24 Stunden brauchen könnte. Wird direkt stressig, das alles zu verwenden und würde dann eigentlich für einen 48-Stundenlauf sprechen ... aber so verrückt bin ich (noch?) nicht.

Die Wetterprognosen werden auch langsam ultralauf-freundlicher. Zumindest 24 Stunden Regen sollten wir nicht haben.

Derzeitige Prognose von http://wetter.orf.at/steiermark/prognose

Übermorgen, Samstag

In der Obersteiermark wechseln Wolken und Sonne, auch Regenschauer oder Gewitter können dabei sein. Im Süden bleibt es größtenteils trocken, hier überwiegt der Sonnenschein. Höchstwerte: meist 23 bis 30 Grad, im Süden sind um 32 Grad möglich. In 1500m Höhe bis 20 Grad.

Sonntag

Häufig scheint die Sonne. Besonders in der Obersteiermark können im Lauf des Tages aber wieder einzelne Regenschauer und Gewitter entstehen. Sehr heiß und schwül bei Höchstwerten zwischen 27 und 34 Grad, in 1500m Höhe am Nachmittag um 23 Grad.


Und Foreca sieht es ähnlich: Samstag und Sonntag

Schaut also nach einem halbwegs erträglichen Samstag, einer trockenen Nacht und dann einem knusprigen Finale aus.

Morgen früh dann noch ein kurzer Lauf ... und zwar mit den vorgestern dahingeschiedenen Laufschuhen. Vielleicht geht's ja doch noch, quasi als luftige Alternative wenn's heiß wird ;-).

Mittwoch, 4. Juli 2012

Noch drei Tage ... und Ausfall

24.5.2012-3.7.2012, 318km, RIP
Lief die Vorbereitung die letzten Wochen eigentlich problemlos, so ist heute leider ein Ausfall zu vermelden. Aber Glück im Unglück, es handelt sich nur um das Reservelaufschuhpaar. Im Gegensatz zu meinem Körper hat dieses offenbar die Belastung des Mozart100 nicht wirklich verkraftet und über Nacht mit plötzlichem Materialbruch reagiert (oder war es - nachdem wir keine Katze haben - doch ein hungriges Plüschtier ;-) ?). 

Aufgrund der Wetterprognose für Irdning (von Gewitter bis Hitze scheint alles dabei zu sein) nicht ideal, denn bei Regen wäre ein Schuhwechsel gegen Blasenbildung ratsam. Und fürs Lauffeeling wiederum ein Wechsel auf ein mehr oder weniger identes Modell. Also heute früh gleich rasch noch - der gut bestückte Läuferhaushalt hat ja immer noch ein frisches Paar in Reserve - ein weiteres Paar eingelaufen. Gerade mal 14km waren es, was jetzt nicht so toll ist - gut eingelaufene Schuhe beginnen bei mir so ab 150 bis 200km. Aber viel mehr geht nicht, es ist ja Tapering-Phase. Wird hoffentlich auch so klappen mit dem Wechsel. Und wieder hab ich was gelernt: zwei Paar eingelaufene Schuhe sind nicht genug, man sollte immer mindestens drei Schuhe parallel eingelaufen haben. Zur Not gibt's aber eh noch die speedigen, leichten Schuhe - kommen die halt doch auch zu einem 24-Stundeneinsatz. Für den Endspurt in den letzten 6 Stunden :D.

Jetzt wird's dann wirklich langsam Zeit, dass es losgeht: bevor noch irgendwas - oder gar ich? - kaputt geht.

Sonntag, 1. Juli 2012

Nur mehr 6 Tage ...

... oder etwa 138 Stunden, dann ist es soweit und der 24-Stundenlauf in Irdning beginnt.

Die Tapering-Phase ist schon voll angelaufen, gestern nur mehr recht früh ein lockerer und trotz Schattens im Prater dann dennoch am Ende heißer 25km-Lauf in etwas über 2 Stunden. Wie es sich fürs Tapern gehört, fühlt sich der Körper derzeit mehr als müde an und unvorstellbar ist der Gedanke, in wenigen Tagen fast 12x solange und hoffentlich 6-8x soweit zu laufen. Aber ich weiß, es wird möglich sein, sobald ich die magische Startmatte überschritten haben werde. Und natürlich gilt wie immer die Weisheit von einem der ewigen Frankfurt-Marathon-Starter: „Ach wissen Sie, als Läufer ist man nie so recht fit. Die Vorbereitung ist nicht so optimal und mal tut es hier, mal tut es dort weh." Aber ich bin gesund, kein Schnupfen, nichts, und auch das Ziehen hier und da ist wohl eher psychosomatisch ;-)

ein Teil der Verpflegung
Bis es aber endlich losgeht sind wie immer noch einige Vorbereitungen zu erledigen: heuer ist die Runde etwas kürzer (nur 2.029,38m - mittlerweile kann ich die Zahl auswendig), damit sind auch alle Tempotabellen anzupassen. Weiters gilt es, mehrmals täglich die Wetterprognose zu checken, die MP3-Playlist zu komplettieren, das Laufgewand zusammenzusuchen (Feedback-Schleife zur Wetterprognose), die Eigenverpflegung zu stapeln (die Vorräte werden bis Weihnachten reichen ;-), die Verpflegungsstrategie auch logistisch zu planen, diverse Infrastruktur herzurichten (Faltpavillon? wie war noch mal die Wetterprognose?), und sonst allerlei Ersatzhandlungen gegen die langsam aufkommende Nervosität zu setzen.

Und wer sich noch nicht durchringen konnte, meine Kilometer in Irdning in Bares für den guten Zweck zu verwandeln: es ist nicht mehr viel Zeit bis zum 24-Stundenlauf! Gebt Euch also einen Ruck, besucht

http://martin24h.awardspace.biz

und wählt einen kleinen (oder auch größeren ;-) Spendenbetrag aus, wenn Euch das möglich ist - ich würde mich freuen, wenn das Rundendrehen noch weiter einen tieferen Sinn bekommt!

Mit diesem Gedanken hoffe ich noch auf gute letzte 6 Tage und freu' mich schon riesig auf Irdning, wo wieder Stimmung pur herrschen wird ... und heuer mit den Österreichischen Meisterschaften im Ultralauf noch mehr los sein wird als in den letzten beiden Jahren.

Sonntag, 24. Juni 2012

Tagesausflug ins Salzburger Land

Nachdem in der Vorwoche das letzte Belastungswochenende mit dem 50km-Lauf im Prater gefolgt von einer Radtour Wien-Krems-Wien am Programm stand, geht es nun langsam in Richtung Tapering-Phase. Allerdings hat sich da noch die Premiere des Mozart100 eingeschlichen - für mich aber nicht in der Vollversion der 100km-Laufs, sondern eine Stufe weniger als 54km-Variante.

Voll motiviert am Trainingslager im Februar erschien mir die Idee auch sehr reizvoll, den Mozart100 quasi als Schlafentzugstraining zu machen. So entstand der Plan, mit dem Nachtzug um Mitternacht von Wien wegzufahren, um 3h30 in Salzburg anzukommen und dann halt noch irgendwie die Zeit bis zum Start um 8h zu überbrücken. Soweit die Theorie vier Monate vor dem Lauf.

Kommen wir zum Jetzt. So verfolgte ich also noch das EM-Match Deutschland-Griechenland, bei dem es glücklicherweise keine Verlängerung gab, und dann ging es mehr als rechtzeitig los. Mit meiner Riesentasche - eigentlich wollte ich ja mit Rucksack reisen, aber das ging sich irgendwie alles nicht aus darin (immer dasselbe ;-) - kam ich so knapp nach 23h15 am Bahnhof Wien-Meidling an und hatte entspannt Zeit auf die Abfahrt des Zugs um 23h56 zu warten.

Warum so früh? Naja, Bahnhöfe und Züge sind für mich ein großes Mysterium und bedeuten eine latente Gefahrensituation. Ich habe oft den Eindruck, Bahnfahren ist nur gemacht von Bahnbeschäftigten für Bahnbeschäftigte: ohne Insiderwissen ist man da verloren ;-) ... Bestätigt wurde mir diese Angst auch wieder bei der Online-Ticketbuchung. So wurde empfohlen, einen Sitzplatz zu reservieren, da der Zug stark gebucht wäre. Klingt logisch. Nach dem fünften Untermenü gab's auch tatsächlich die Möglichkeit eine Sitzplatzreservierung vorzunehmen, allerdings musste man dazu die gewünschte Verbindung auswählen. Und zwar durch Durchklicken aller Tagesverbindung ... chronologisch. Nach gefühlten 100 Klicks - und großem Erstaunen über wieviele Möglichkeiten man am Tag von Wien nach Salzburg fahren kann - war ich dann endlich bei meinem Zug gelandet ... und genau hier verschwand dann die Option für die Durchführung der Reservierung. Na gut, dann halt nicht. In den diversen Zeitungskolumnen wird eh meistens berichtet, dass die Sitzplatzreservierung nicht funktioniert und ich werde schon ein Platzerl finden. So hatte ich also endlich mein Ticket und konnte meine Reise in ausschließlich "vorwärtsstrebender" Richtung (O-Ton Ticket) antreten. Vorwärtsstrebend ist gut, das leitet zwingend wieder zum Laufbericht - welcher dieser ja werden soll - über. Auch den Lauf werde ich vorwärtsstrebend angehen.

Wenigstens war der Zug pünktlich, ich am richtigen Gleis und auch ein Sitzplatz war bald gefunden. Mittlerweile fand ich die Idee des Schlafentzugs nicht mehr ganz so toll, da ich ohnehin schon die ganze Woche über recht müde war. Also ein wenig Schlaf im Zug täte schon gut. Im Abteil sah's positiv dafür aus, da auch mein Mitreisender schon sein Schlaflager aufgeschlagen hatte. Leider war der Waggon schon ein etwas älteres Baujahr, verstellbare Kopfstützen oder ähnliches gab es nicht, aber wenigstens war Dösen halbwegs möglich. So ging es ruhig dahin bis wir um 2h morgens Linz erreichten. Hier stiegen dann doch ziemlich viele Mitreisende ein und somit war auch unser Abteil dann voll und mit der Beinfreiheit und Hochlagerung war's vorbei. Wenigstens wollten die anderen auch Schlafen. Was gar nicht so einfach war, da in Linz auch junges Partyvolk zugestiegen war, die sich recht laut drüber wunderten, wie denn um 2h15 jemand an schlafen denken kann. Hm, war eh nicht mehr dran zu denken :D. So nutzte ich dann den Rest der Fahrt bis nach Salzburg zum Streckenstudium (Höhenprofil, Labestellen) - kann auch nicht schaden. Um 3h26 dann pünktlich Ankunft in Salzburg und durch eine menschenleere Stadt vorbei am Schloss Mirabell, Dreifaltigkeitskirche und Mozartwohnhaus zur Salzach. Hier fand gerade Schichtwechsel statt: gut hydrierte Ultrafeierer beendeten ihr Nachtwerk um an die Ultraläufer zu übergeben. So stand ich dann also knapp nach 3h45 am Mozartplatz bei der Startnummernabholung und sorgte für etwas Verwunderung, warum ich denn für den 54km-Lauf mit Start um 8h jetzt schon da bin. Also erklärte ich halt kurz: "Anreise aus Wien mit Nachtzug, usw.". Die Organisation war da doch beeindruckt davon, dass man sich das extra für ihren Lauf antut. Fein, dass ich mit der - mittlerweile empfand ich es nämlich so - Schnapsidee jemandem eine Freude bereiten konnte.

Obwohl die Startnummernausgabe gerade erst im Aufbau begriffen war (offizielle Eröffnung erst um 4h) und ich ohnehin auch meinte, ruhig noch warten zu können - hab ja nix Anderes vor in der nächsten Zeit :D - , bekam ich trotzdem  gleich meine Startnummer. Danach suchte ich mir eine nette Bank und sah - wie schreiben das die Reiseführer immer - dem fröhlichen Treiben beim Aufbau des Start-/Zielgeländes zu. Auch den aufkommenden Hunger bekämpfte ich erfolgreich.

Nach und nach kamen die Läufer für den bereits um 5h startenden 100km-Lauf. Darunter auch - wie ich dann an der Ergebnisliste sah - einige mir Bekannte. Aber außer Ernst entdeckte ich niemanden und vice versa. Naja, um diese Zeit ist halt jeder mit anderem beschäftigt und dunkel war's auch. Pünktlich zum Start um 5h begann dann auch leichter Nieselregen und es wurde etwas kühler. So beklatschte ich noch die 100km-Starter und verzog mich dann ins Wettkampfbüro.

Sehr fürsorglich wurde ich gefragt, ob ich mich denn nicht ein wenig hinlegen möchte, es würde niemanden stören. Nein, nein, geht schon so. Wenige Minuten später (schon etwas eindringlicher): Du kannst Dich wirklich hinlegen, macht nix. Na gut, dann tu ich halt ;-) ... so gab's dann einen 30-minütigen Powernap und knapp vor 6h wechselte ich in den normalen Tagesrhythmus - ich hatte ja schon fast zwei Stunden nichts gegessen, also gut das es schon Zeit fürs Frühstück war :D. Dann langsam umziehen und Wetter testen. Es war ordentlich bewölkt, die Wolken teilweise auch dunkel, es sah eigentlich nach einem sehr verregneten Vormittag aus und kühl wirkte es auch. Beim Einlaufen mit Laufjacke und Kappe gar kein gutes Gefühl: sehr schwül, leichtes Kopfweh (hm, netto ca. 2h Schlaf ist halt nicht ganz optimal), Beine wie Blei, ich glühte vor Hitze. Das kann ja heiter werden, aber wenigstens gegen die Hitze gab es Abhilfe. Weg mit der Jacke und der Kappe. Ahhhh, schon besser. Noch ein wenig Dehnen ... und posieren für ein Foto von mir beim Dehnen (ich hoffe, das wird nie veröffentlicht :D).

Und dann hatte das Warten ein Ende, um 8h ging's los. Aufgrund der bleiernen Beine beim Einlaufen schön gemächlich die Salzach entlang, mit den Mitläufern ein wenig plaudern und locker in den Lauf reinkommen. Strategie war ohnehin klar: ein letzter längerer Trainingslauf, nie an die Grenzen gehen, unverletzt und locker ins Ziel kommen. Vielleicht am Ende etwas flotter, aber auch hier nie aus dem Wohlfühlbereich raus.

Die ersten 5km ging es zunächst flach am Radweg die Salzach entlang zur Glasenbach-Klamm. Die Beine wurden langsam munter. Die Magie der Startmatte hatte wieder einmal belebend gewirkt. Bei der Glasenbach-Klamm begann dann der Anstieg, welcher uns über die nächsten 6km und 350Hm bevorstand. Auch danach ging es im Wesentlichen recht hügelig bis fast km25 dahin. Ich beschloss, Kräfte zu sparen und setzte mich vom Feld nach hinten ab. Leider war der Weg teilweise von den Unwettern der letzten Tage stark ausgeschwemmt, sodass man doch schauen musste, wo man hintrat. Also nicht ganz ideal für Landschaft genießen. Und für mich als heuer ausschließlich Flachland-Asphalt-Ultralaufschlapfer sowieso eine weitere Herausforderung. Aber immer schön langsam weiter, jeder Meter bringt mich dem Ziel näher. Die Strecke war vom Untergrund sehr abwechslungsreich, permanent wechselten sich Straße, Schotterweg, Waldsteig und teilweise tiefe, versumpfte Wiesen ab.

Und auch Konzentration war angesagt: die Strecke war nämlich ausreichend aber nicht übermäßig markiert. Hinzu kam, dass sich das Feld recht bald zersplitterte. Ich war so die meisten der 54km recht einsam unterwegs - niemand vor mir zu sehen, ab und zu kam mal eine schnelle Staffel von hinten. Alle Straßenquerungen waren aber hervorragend entweder durch Streckenposten oder Polizei abgesichert, sodass die Läufer bestens geschützt waren.

Eine Freude waren auch die Laben: hier gab's alles was mein Ultralaufherz glücklich machte: Iso, Riegeln, Bananen, Kuchen, Wasser, Cola, Tomaten, Orangen, Äpfel, ... und ich hatte ohnehin schon wieder Hunger. Also im Sinne des Wohlfühlfaktors: tun wir was dagegen ;-). Einziger Wermutstropfen: die Laben waren mit teilweise 6-8km doch etwas weiter auseinander, aber das war im Vorfeld bekannt, also ordentlich bunkern an der Labe.

So ging es dahin, die Strecke war zwar nett, aber irgendwie fehlten mir die spektulären Ausblicke. Dafür lief man meist im Schatten. Nach 24 Kilometern war der Fuschlsee erreicht. Die 100km-Läufer zweigten hier auf ihrer ersten Runde Richtung Norden ab, die 54km-Läufer liefen gleich die zweite Runde des 100ers und durften somit gleich den Fuschlsee umrunden. Am Ufer entlang ein ständiges leichtes Bergauf, bergab. Ich trabte so vor mich hin, als plötzlich von hinten mit gewaltigem Tempo ein Läufer kam. Ich dachte mir, ah, schnelle Staffel, erkannte aber an der Startnummer, das war ein Einzelläufer. Am Gesicht dann: Markus Kröll, einer der Favoriten. Hm, was macht denn der *hinter* mir? Viel Zeit für Fragen hatte ich aber nicht, außerdem wollte *er* wissen, wieviele denn noch vor mir wären. Keine wirkliche Ahnung, ich hab ja schon kilometerlang niemanden mehr gesehen. Aber nachdem ich niemanden überholt hatte, auch mich niemand, müsste es etwa die gleiche Anzahl wie knapp nach dem Start sein - also so um die 10? Das erfreute Markus jetzt scheinbar wenig und er glühte weiter. Im Ziel lag er dann schließlich nur 8 Minuten vor mir. Irgendwas muss da grob schief gelaufen sein bei ihm, dass er bei der Streckenhälfte hinter mir ist und dann auf der zweiten Hälfte auch nur 8 Minuten rausholt. Ich vermute, er ist ein Opfer der Streckenmarkierung geworden, die bei High-Speed doch teilweise leicht zu übersehen war.

Bald danach erreichte ich die Labe am Fuschlsee, die Hälfte war geschafft, jetzt geht's heim. Am Rückweg den Fuschlsee entlang hörte ich von Zuschauern (derer es eher wenige gab), dass ein mich gerade überholender Staffelläufer und ich Nummer 12 und 13 wären. Hm, ja, das passt mit meiner Einschätzung ganz gut zusammen. Knapp vorm Salzburgring näherte ich mich einem Staffelläufer, den ich schon längere Zeit bei den Blicken von den Hügelkuppen vor mir aufblitzen gesehen hatte. Sein Glück, denn er verpasste eine Abzweigung und war schon einige Höhenmeter tiefer als ich ihm von hinten rufe, wo die Abzweigung sei.

Der Lauf näherte sich nun dem Ende, Zeit zu schauen, ob ich noch ein klein wenig an Tempo zulegen kann. Ja, geht noch. Nix übertreiben, aber flotteres Laufgefühl genießen. Nach etwa 48km überhole ich einen weiteren Einzelläufer, der schon ziemlich gezeichnet wirkt, höre aber bei der Labe nur wenig später sehr hochfrequente, schnelle Schritte hinter mir. Ist er wieder zu Kräften gekommen? Nein, es ist mit Karin Russ - der Siegerin des heurigen Rennsteiglaufs - eine Staffelläuferin. Ich feuere sie kurz an, gratuliere ihr zum Sieg am Rennsteig und schaue, wo sie so vor mir läuft. Das erspart mir bei der nun zu durchlaufenden Wiese einige (Höhen-)Meter, denn durch die leichte Kuppe sieht man erst zu spät, dass man nicht den Waldrand entlang muss, sondern einige Höhenmeter sparend quer über die Wiese laufen soll. Danach setzt sich Karin aber rasch ab. Es geht auch wieder durch den Wald, wo die Steige wieder sehr rutschig sind und ich daher extrem vorsichtig bin. Nur nicht jetzt - so knapp vorm Ziel und bisher locker und unverletzt - noch was riskieren. Schließlich sind es nur mehr zwei Wochen bis zum Saisonhöhepunkt. Dann raus aus dem Wald, Salzburg schimmert schon zwischen den Bäumen hervor. Die Ausläufer der Stadt sind erreicht. Jetzt wird es mit der Orientierung endgültig schwerer, da ich von Salzburg ja so gar keine Ahnung habe (die Marathonstrecke verläuft ganz woanders). Es geht links, rechts dahin. Teilweise sind die Streckenpfeile von Autos verdeckt, auch die Bänder und Fähnchen die sonst die Strecke markiert haben sind entweder spärlich verwendet oder abmontiert worden. Jedenfalls gibt's immer wieder für beunruhigend längere Zeit keine Markierung. Aber immer knapp bevor ich beschließe umzudrehen um die Strecke zu suchen, taucht dann doch eine Markierung auf. Auch die Straßenquerungen sind nicht mehr so leicht. Schließlich sind wir in der Stadt drinnen, Absperrungen gibt es nicht, man läuft einfach so am Gehsteig dahin.

Plötzlich bin ich in der Innenstadt bei der Fußgängerzone. Aha, wo jetzt weiter? Ich sehe gerade noch einen Pfeil der mich nach links schickt. Gut, also mal ab durch die Fußgängerzone. Eisschleckende Touristen fragen mich, wieviele Kilometer ich denn schon gelaufen bin. Ansonsten gibt's in der Fußgängerzone keine Absperrungen, keine Ordner, nichts. Ich laufe also Slalom durch japanische Touristen, Radfahrer und Samstagseinkäufer und komme mir gatschig, verschwitzt und mit meiner Startnummer irgendwie sehr deplatziert vor. Die ganze Situation hat was Skuriles. Markierungen sehe ich keine. Auch das Slalomlaufen kommt mir nicht ganz im Sinne des Veranstalters vor. Hoffentlich habe ich keine Abzweigung übersehen. Andererseits zeigt mir das GPS, dass ohnehin schon fast 54km zurückgelegt sind, d.h. große Schnörkel kann es eigentlich nicht mehr geben, sondern es sollte Diretissima ins Ziel gehen. Dann die Befreiung: ich sehe auf einem Ständer einen großen Pfeil, der mich wieder zum Linksabbiegen auffordert. Na geh, das kann jetzt aber nicht sein: noch einmal bergauf über Kopfsteinpflaster. Dafür steht dort aber auch ein Streckenposten, bei dem ich mich gleich mal über die Höhenmeter beschwere ;-) ... aber es geht als Belohnung eh gleich wieder über Stufen und einen kleinen Durchgang hinunter zum Kai und zur Salzach. Polizisten sperren extra den Kai für mich, ich kann auf der Ideallinie (ganz wichtig beim Ultra! ;-) queren und sehe auch schon den Mozartsteg vor mir. Jetzt kenn ich mich wieder aus - also nur mehr über den Steg drüber und ab ins Ziel.

Nach 5:23:19 überquere ich ohne großen Jubel die Ziellinie, freue mich aber sehr, dass der Schritt nach 54km und 1000 Höhenmetern immer noch locker ist, der Lauf hinsichtlich Irdning keine gröberen Spuren hinterlassen haben sollte und esse endlich ein Stück Kuchen. Das habe ich nämlich an all den Laben vorher sicherheitshalber ausgelassen. Während ich so schaue, wer denn als nächster nach mir ins Ziel kommt, läuft plötzlich Karin ein. Wie geht denn das? Ich hab sie nicht überholt, sie war doch schon einiges vor mir gewesen? Auf meinen sehr fragenden und erstaunten Blick bekomm ich gleich die Info: sie hat in der Altstadt noch ein paar Extrarunden gedreht bis sie wieder auf die Strecke zurückgefunden hat. Offenbar nicht das einzige Markierungsopfer.

Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich auch gut in der Zeit liege, den nächstmöglichen Zug nach Wien zu erreichen. Ein zweiter Blick ins Internet verrät mir aber auch, dass ich überraschenderweise Gesamt-Fünfter und Altersklassen-Dritter geworden bin. Hm, die Siegerehrung ist aber erst um 19h. Da komme ich dann heute nicht mehr nach Wien zurück. Also schildere ich mein Dilemma der Organisation und frage, ob ich vielleicht Pokal oder was es halt gibt, ausnahmsweise doch jetzt schon haben könnte. Ja klar. Sie haben vollstes Verständnis, bedanken sich auch noch einmal, dass ich mit der Nachtzuganreise extra nur für ihren Lauf gekommen bin und mir das angetan habe. Mir tut's natürlich leid, nicht das Podium am Abend komplettieren zu können, aber es geht halt leider wirklich nicht.

So mache ich mich also mit meiner Medaille in der Hand auf zurück zum Bahnhof und Richtung Wien.

Fazit 1: die Strecke ist schön, aber nicht so ganz meins. Die Anstiege sind zu flach, um beim Gehen nicht viel Zeit zu verlieren, aber steil genug, dass man ordentlich Kraft lässt. Bergab ist's dafür meist etwas zu steil, um es locker rollen zu lassen. Und richtig speedige Flachstücke für mich Straßentier heuer gibt's überhaupt wenige - eigentlich nur am Anfang und am Ende. Landschaftlich fand ich es jetzt nicht so beeindruckend bzw. verbinde ich mit Panoramalauf halt eher richtige Bergwelt und alpine Gegend. Aber dafür ist die Strecke nicht so sehr der Hitze ausgesetzt und meist schattig. Einen 100er auf der Strecke kann ich persönlich mir aber nur schwer vorstellen, weil die Runde jetzt nicht so spannend ist. Außerdem finde ich ja: wenn schon 100km, dann flach und auf Rundenbasis oder halt als richtiger Lauf ohne Streckenwiederholung wie z.B. Biel, UTMB, o.ä. Aber die 54km-Variante passt schon und ist für alle, die statt 2x die Runde um den Lainzer Tiergarten etwas Vergleichbares auf einer Runde machen wollen schon eine Reise wert. Und mit dem Zug funktioniert der Ausflug ja auch sehr effizient, man erspart sich sogar die Übernachtungskosten ;). Ob sich der Lauf aber wirklich etablieren wird, bin ich mir nicht ganz sicher. Die Organisation ist zwar sehr gut, es ist alles da, was man bei einem Ultralauf braucht (Duschsituation weiß ich nicht, weil ich wollte Platz im Zug bei der Rückfahrt haben ;-), aber irgendwie fehlt für mich das gewisse "Etwas" - sei es ein Streckenelement wie z.B. die Ötschergräben, die Öffnung von irgendwas, wo man sonst nicht reinkommt oder nicht laufen darf, prickelnde Stimmungspunkte oder (neben der sowieso tollen Strecke) die Begeisterung der mithelfenden Bevölkerung beim Veitsch-Grenzstaffellauf. Der Lauf wirkt - trotz der sehr liebevollen Behandlung des "Bahnreisenden" - noch etwas steril auf mich.

Fazit 2: auch für alle Wienbesucher ist hiermit bewiesen: es ist möglich von Wien aus innerhalb von 20 Stunden Schloss Mirabell, Dreifaltigskirche, Mozartwohnhaus, Mozartplatz, Glasenbachklamm, Schloss Fuschl, Fuschl am See, Salzburgring und das Zentrum-im-Berg (fürs Shopping) zu besuchen. Mit der Nachtanreise hat man auch den Vorteil Schloss Mirabell ungestört für sich allein zu haben.

Damit wäre jetzt das Training für Irdning beendet. Die nächsten zwei Wochen heißt es Erholen für Irdning, die härteste Einheit, die am Programm steht, lautet "Verzichte die nächsten zwei Wochen auf Süßes". Hm, werden wohl doch zwei ausgesprochen harte Wochen für mich :D.

Ansonsten freue ich mich sehr, dass die Spendenaktion für Irdning gut angelaufen ist. Herzlichen Dank an dieser Stelle allen Spendenwilligen! Ich finde Euren Einsatz ganz toll!

Wer noch nicht weiß, worum es bei der Spendenaktion geht: hier gibt's alle Infos: http://martin24h.awardspace.biz

Über die eine oder andere weitere Unterstützung für den guten Zweck würde ich mich sehr freuen und das würde mir noch weitere Motivation für viele, viele Kilometer in Irdning geben!